Stockholm/Wien – Bei der Gleichberechtigung von Frau und Mann sind die skandinavischen Länder weltweit führend, was sich auch in der Politik zeigt: In Norwegen, wo am Montag gewählt wurde, steht mit Erna Solberg eine Frau der amtierenden konservativen Regierung vor. Mit der Sozialdemokratin Gro Harlem Brundtland hatte das nordeuropäische Land ab 1981 sogar drei Mal eine Ministerpräsidentin.

Doch wie war das bei den kriegerischen Wikingern, die vor rund tausend Jahren weite Teile Nordeuropas beherrschten? Gab es damals nur "starke Männer", wie der deutsche Titel der Zeichentrickserie "Wickie" nahelegt? (Das schwedische Original heißt übrigens "Vicke Viking" und kommt ohne Männer im Titel aus.)

Klassische Arbeitsteilung?

In der Forschung ging man bisher davon aus, dass bei den Wikingern eine mehr oder weniger klassische patriarchale Arbeitsteilung herrschte: Männer waren Krieger, während sich die Frauen um Haus und Kinder kümmerten. Allenfalls machte es die lange Abwesenheit der Männer nötig, dass Wikinger-Frauen mehr Verantwortung übernehmen.

Allerdings hat es schon im Mittelalter Erzählungen über Wikingerkriegerinnen gegeben, die Seite an Seite mit den Männern kämpften. Eine handfeste Bestätigung für diese Berichte liefern nun Charlotte Hedenstierna-Jonson (Uni Stockholm) und ihre Kollegen, die in der alten Wikingersiedlung Birka im Südosten Schwedens archäologische Untersuchungen inklusive DNA-Analysen durchführten. Dort lebten zwischen dem 8. und 10. Jahrhundert permanent rund 1.000 Wikinger, mit etwa 3.000 Gräbern ist der "Friedhof" einer der größten aus dieser Zeit.

Lageplan der Wikingersiedlung von Birka mit dem Grabhügel.
Karte: Holger Ellgaard

Kriegerische Komplettausstattung

Ein besonders reich ausgestattetes Grab, Bj581, enthält einen Toten, der mit der kompletten Ausstattung eines Kriegers begraben wurde: einem Schwert, einer Streitaxt, einem Speer, Pfeilen, einem Kriegermesser, zwei Schilden und zwei Pferden. Bisher ging man davon aus, dass es sich beim Kämpfer um einen Mann handelt. Doch Hedenstierna-Jonson machten die DNA-Probe aufs Exempel.

Das reich ausgestattete Grab Bj581 mit den beiden Pferden.
Illustration: Þórhallur Þráinsson / Neil Price

Das Ergebnis war eindeutig, wie das Forscherteam im "American Journal of Physical Anthropology" berichtet: Das Skelett im Grab Bj581 gehörte eindeutig einer Frau. Wie DNA-Vergleiche zeigten, war sie zudem eine frühe Migrantin: Die Kämpferin stammte offenbar nicht aus der unmittelbaren Umgebung, sondern ist vermutlich als Jugendliche nach Birka gekommen.

Die Walküren der nordischen Sagenwelt hatten ihre leibhaftige Entsprechung in kämpfenden Wikingerinnen.
"Walküren", Gemälde von Peter Nicolai Arbo (1865)

Keine Walküre aus der Sagenwelt

Die Zuwanderin muss sich aber zu Lebzeiten eine hohe Stellung in der Wikingergesellschaft erobert haben, wovon die Grabbeigaben eindrucksvoll Zeugnis geben. Dazu gehörte auch ein Spielbrett mit Spielfiguren, was darauf hindeutet, dass die Wikingerkriegerin "Verantwortung für Strategie und Kriegstaktik besaß", so Hedenstierna-Jonson. "Das war keine Walküre aus der Sagenwelt, sondern eine militärische Führungspersönlichkeit, die zufällig eine Frau war." (Klaus Taschwer, 12.9.2017)