Die Studie "Bildung auf einen Blick" wird jährlich von der OECD publiziert.

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Wien – Ein Großteil des Lehrpersonals ist älter als fünfzig, eine große Pensionierungswelle steht bevor. "Wir haben eine Situation, wo in den nächsten drei bis fünf Jahren ein großer Teil dieser Personen – mehr als die Hälfte im Bereich der Neuen Mittelschulen – in Pension gehen wird", sagt Konrad Pesendorfer, Generaldirektor der Statistik Austria. Einmal mehr zeigt sich die Altersstruktur der Pädagogen im neuen Bericht "Bildung auf einen Blick 2017" der OECD, den Pesendorfer am Montagabend bei einem Hintergrundgespräch mit Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ) präsentierte.

Demnach waren im Schuljahr 2015/16 an den Hauptschulen und Neuen Mittelschulen 54 Prozent der Lehrer über fünfzig, in allen Schultypen sind es knapp 46 Prozent. "Es gibt hier Handlungsbedarf. Das ist aber nicht seit gestern bekannt. Insofern hat hier auch die Politik Zeit gehabt, sich darauf vorzubereiten. Die Altersstruktur per se braucht Antworten. Da braucht es Übergangslösungen und Flexibilität", sagt Pesendorfer.

Bildungsministerin Hammerschmid sieht Österreich gut auf die Pensionierungswelle vorbereitet. Derzeit stünden 4.500 Lehrer auf Wartelisten für einen Job. "Mit den Absolventenquoten können wir sehr gut jene Personen abdecken, die in Pension gehen." Punktuelle Engpässe in einzelnen Fächern wie Physik und Mathematik werde es dennoch geben.

Quereinsteiger sollen Lehrer werden

Die Ministerin verweist auf neue gesetzliche Möglichkeiten, mit denen Quereinsteigern die Ausbildung zum Lehrer erleichtert wird. Hammerschmid schwebt außerdem vor, dass dem Beruf nahestehende Personen wie etwa Sozialarbeiter gleich in den Lehrberuf einsteigen können und die Ausbildung berufsbegleitend absolvieren. Sie wiederholte auch ihre Forderung nach 5.000 zusätzlichen Pädagogen für Schulstandorte mit vielen sozial benachteiligten Schülern.

Im OECD-Vergleich der Bildungssysteme von 43 teilnehmenden Staaten lässt sich ablesen, dass sich in Österreich viele Lehrer dem Pensionsalter nähern. Das Bildungsministerium erwartet aber keinen Lehrermangel. Ein Beitrag aus der ZiB um 13 Uhr.
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Den aktuellen Daten zufolge ist der Lehrberuf in Österreich im internationalen Vergleich durchaus attraktiv. Das Jahresgehalt für einen Lehrer pro Schüler liegt bei rund 4.700 Euro, im OECD-Durchschnitt sind es knapp 3.000 Euro. Das liegt aber vor allem an den vielen Kleinschulen mit einer geringen Anzahl von Schülern pro Klasse. Im Sekundarbereich – also nach der Volksschule – kommen auf einen Lehrer neun Schüler, im OECD-Durchschnitt sind es 13. Und das kostet. 2014 gab Österreich pro Schüler in der Neuen Mittelschule beziehungsweise der Unterstufe rund 12.600 Euro aus, der OECD-Durchschnitt liegt bei 8.500 Euro. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt gibt Österreich mit 4,9 Prozent dennoch weniger aus, als der OECD-Durchschnitt mit 5,2 Prozent.

Preistreiber sind laut dem Bericht auch die Lehrergehälter. Lässt man die günstigen Lehrer-Schüler-Verhältnisse aber außer Acht, liegt Österreich unter dem Durchschnitt. Ein Lehrer an der Neuen Mittelschule beziehungsweise der Unterstufe verdient 80 Prozent von dem, was sonstige Akademiker verdienen. Im internationalen Durchschnitt sind es 90 Prozent.

Weitere ausgewählte Punkte der Studie im Überblick:

  • Bildungssstand: Im internationalen Vergleich sind Österreicher gut gebildet. 15 Prozent haben einen Pflichtschulabschluss, im OECD-Durchschnitt sind es 22 Prozent. 51 Prozent der 25- bis 64-Jährigen haben die obere Sekundarstufe abgeschlossen, ein sehr hoher Wert im internationalen Vergleich (39 Prozent). Als tertiären Abschluss – also eigentlich Hochschulabschluss – wertet die OECD eine Matura in der fünfjährigen berufsbildenden höheren Schule, wodurch die "Akademikerquote" mit 40 Prozent fast im OECD-Durchschnitt ist (43 Prozent). HTL- und HAK-Abschluss werden in der untenstehenden Grafik als "kurze tertiäre Ausbildung" bezeichnet.
  • Bildungsmobilität: Kritisch erwähnt wird auch in dieser Studie die mangelnde Bildungsmobilität in Österreich. Nur zehn Prozent der 30- bis 44-Jährigen, deren Eltern keinen Hochschulabschuss haben, haben selbst eine tertiäre Ausbildung absolviert. Im OECD-Durchschnitt ist dieser Wert doppelt so hoch. "Das ist ein Alarmsignal", sagt Hammerschmid. Dem müsse man mit mehr Chancengleichheit entgegenwirken. Sie verweist auf den laufenden Ausbau der Ganztagsschule und die finanziellen Zusatzmittel für Integration. Sie fordert kostenloses Mittagessen in der Ganztagsschule sowie kostenlose Betreuung am Nachmittag.
  • Unterrichtsstunden: Unter dem OECD-Durchschnitt liegt Österreich, was die Zeit im Klassenzimmer betrifft. Schülerinnen und Schüler sitzen in der Volksschulen und der Neuen Mittelschule beziehungsweise der Unterstufe insgesamt 6.420 Stunden im Klassenzimmer. Ganz vorne ist hier Australien mit 11.000 Stunden, der internationale Durchschnitt liegt bei 7.537 Stunden. Auch bei der Unterrichtsverpflichtung der Lehrer befindet sich Österreich im unteren Drittel: Lehrer müssen durchschnittlich 589 Stunden unterrichten, im OECD-Schnitt sind es 662 Stunden. Hammerschmid sieht hier dennoch keinen Handlungsbedarf. Es gehe um die Qualität, nicht um die Anzahl der der Stunden.
  • Elementarbereich: Im internationalen Vergleich etwas mehr pro Kind gibt Österreich für den Elementarbereich aus: 7.900 statt 7.300 Euro. Wobei die Ausgaben insgesamt mit 0,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts niedriger liegen als im OECD-Schnitt (0,8 Prozent). Auch in dieser Studie zeigt sich einmal mehr, dass Österreich bei der Elementarpädagogik nachhinkt: 39 Prozent der Zweijährigen besuchten 2015 eine Bildungseinrichtung. Derselbe Wert liegt im EU-Schnitt bei 57 Prozent. Spitzenreiter sind hier Dänemark und Norwegen mit 91 Prozent.
  • Berufsbildendes System: Lob bekommt Österreich erneut für sein berufsbildendes System. Absolventen einer berufsbildenden mittleren Schule unter den 25- bis 34-Jährigen sind mit 86 Prozent beinahe so häufig beschäftigt wie jene, die einen Hochschulabschluss haben. Insgesamt haben 40 Prozent der jungen Österreicher eine Ausbildung an einer mittleren berufsbildenden Schule absolviert, im OECD-Durchschnitt sind es lediglich 25 Prozent. Hammerschmid und Pesendorfer verweisen beide darauf, dass man die Anpassung an die Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt – Stichwort Digitalisierung – hier nicht verpassen dürfe.

  • Technische Fächer: Besonders weit vorne liegt Österreich bei der tertiären Ausbildung in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (Mint). Insgesamt haben 34 Prozent der 25- bis 64-Jährigen einen solchen Abschluss, mehr hat nur Deutschland mit 36 Prozent. Im OECD-Schnitt sind es lediglich 25 Prozent. Vorsicht bei der Interpretation der Zahlen ist allerdings geboten: Als tertiärer Abschluss gilt für die OECD nicht nur ein Hochschulstudium, sondern auch eine Matura in der fünfjährigen berufsbildenden höheren Schule, also etwa an HAK oder HTL. Wie im OECD-Schnitt gibt es in technischen Fächern allerdings noch einen großen Gender-Gap. Nur 28 Prozent der Studierenden in Mint-Fächern sind Frauen. Dafür sind Studentinnen im Bereich Bildung mit 78 Prozent überrepräsentiert.
  • Bildung und Arbeitsmarkt: Mehr Bildung sorgt für bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt. 2016 waren 18,3 Prozent der 25- bis 34-Jährige ohne Pflichtschulabschluss arbeitslos, während nur 4,2 Prozent der Personen mit Hochschulabschluss als arbeitslos gemeldet waren.

  • Einkommen nach dem Studium: Berechnet wurde in der Studie auch, inwiefern sich ein Hochschulabschluss "auszahlt". In den OECD-Ländern verdienen 25- bis 64-Jährige, die eine Ausbildung am tertiären Sektor abgeschlossen haben, 56 Prozent mehr als solche mit einem Abschluss im Sekundarbereich II, in Österreich ist das die Matura. Der Wert liegt hierzulande bei 53 Prozent. Mit einem Pflichtschulabschluss verdient man 29 Prozent weniger als mit Matura, im OECD-Schnitt sind es 22 Prozent.

  • Ausländische Studierende: Spitzenreiter ist Österreich bei der Aufnahme von ausländischen Studierenden. 16 Prozent aller Studierender waren 2015 internationaler Herkunft. Das ist mehr als doppelt so viel wie im OECD-Durchschnitt (6 Prozent). Gleichzeitig gehen mit 4,6 Prozent österreichische Studierende weniger häufig in Ausland als im OECD-Durchschnitt, der bei 5,9 Prozent liegt.

(Lisa Kogelnik, 11.9.2017)