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Das erste Teilstück des marokkanischen Hochgeschwindigkeitszugnetzes von Tanger bis Kénitra soll bereits 2018 in Betrieb genommen werden.

Foto: Getty Images / UygarGeographic

Entlang der Mittelmeerküste Nordafrikas von Kairo nach Casablanca im Zug zu fahren ist ein seit der Kolonialherrschaft gehegter Traum. Bislang eine Eisenbahnutopie, die nun einen deutlichen Impuls erfährt.

Ende Juli kündigte Lotfi Sebouai, Infrastrukturdirektor der Union des Arabischen Maghreb (UAM) an, mit Unterstützung der Afrikanischen Entwicklungsbank um 1,7 Millionen US-Dollar eine Machbarkeitsstudie für eine Trans-Maghreb-Bahnverbindung von Casablanca, dem wirtschaftlichen Zentrum Marokkos, nach Tunis in Auftrag zu geben.

Konkret gehe es dabei um die Wiederinbetriebnahme und Modernisierung bestehender Trassen, wie jene knapp 360 Kilometer vom marokkanischen von Fez via Oujda nach Algerien an die Grenze bei Zouj Beghal. Sowie von knapp 500 Trassenkilometern in Algerien.

Geschlossene Grenzen

Doch die algerisch-marokkanische Grenze, die seit 1994 geschlossen ist – nach einem Terroranschlag in Marrakesch, für den Rabat algerische, radikal-islamistische Extremisten verantwortlich machte –, stellt noch ein unüberwindbares, politisches Problem dar.

Allen politischen Differenzen zum Trotz – primär die Unterstützung Algeriens für die Polisario-Front im Konflikt um die von Marokko besetzte Westsahara – konnten die Wirtschafts- und Außenminister zum grenzüberschreitenden Waren- und Personenverkehr ihre Positionen sukzessive annähern.

Weiterer Teil der UAM-Machbarkeitsstudie ist der Neubau von 260 Kilometern zwischen Algiers und Tunis, insbesondere der Abschnitt von der algerischen Grenzstadt Souq-Ahras ins tunesische Ghardimaou, wo aufgrund des komplizierten Terrains die Optimierung der bestehenden Schienen quasi unmöglich sei.

Seit den 1990er-Jahren wird dieser Teilabschnitt nicht mehr bedient. Doch erst diesen Mai ließ Algeriens Staatsbahn, die Société Nationale des Transports Ferroviaires (SNTF), aufhorchen: mit der Ankündigung der Inbetriebnahme des Maghreb-Express zwischen Algiers und Tunis über Annaba.

Doch "technische Probleme", der extrem baufällige Zustand der Schienen in Tunesien, verhinderten dies bisher. Auch der zweite angekündigte Starttermin im Juli verstrich, ohne dass Züge die zwei Hauptstädte bisher verbinden. Seit der Jasminrevolution von 2011 steht die dortige Eisenbahngesellschaft Société Nationale des Chemins de Fer Tunisiens (SNCFT) budgetär am Limit.

Atlantik-Linie zum Exporthafen

Auslandsinvestitionen tun not, wie während der vergangenen Jahre bei Infrastrukturgroßprojekten in Marokko. Das Maghreb-Königreich schreitet rasant mit dem Bau seines Hochgeschwindigkeitszugnetzes voran. Bis 2030 will man ein Trassennetz mit 1500 Kilometern fertiggestellt haben, für das aktuell 30 Milliarden Euro budgetiert sind.

Eine 900 Kilometer lange Atlantik-Linie von Tanger, mit seinem wichtigen Exporthafen nach Agadir, via Casablanca, Rabat und Marrakesch sowie die Maghreb-Linie mit etwa 600 Kilometern Länge, die von Casablanca an die algerische Grenze führt.

Der erste, rund 200 Kilometer lange Teilabschnitt Tanger-Kénitra (Kostenpunkt umgerechnet 1,8 Mrd. Euro, 20 Mrd. marokkanische Dirham) für die Weiterfahrt nach Rabat und Casablanca (bis 2020) wird von einem Konsortium um die französische SNCF errichtet. Großteils finanziert von Frankreich, der EU und Fonds aus Saudi-Arabien, Abu Dhabi und Katar. Er soll bereits 2018 in Betrieb gehen.

Ambitionierte Ziele

Eingesetzt werden von der marokkanischen Eisenbahngesellschaft Office National des Chemins de Fer (ONCF) erworbene Alstrom-Euroduplex-Züge um 400 Mio. Euro, die 350 km/h erreichen (320 km/h im regulären Betrieb). Dadurch wird die Fahrtzeit zwischen den beiden wirtschaftlichen Zentren Marokkos von aktuell deutlich über vier Stunden auf knapp zwei reduziert.

Ambitioniertes Ziel der marokkanischen Staatsbahn ist es, die Fahrgastzahl auf der Strecke auf acht Millionen pro Jahr zu verdoppeln. Zugleich wird die überlastete, bestehende, kurvenreiche Bahnstrecke dem Warenverkehr mehr Kapazitäten bieten.

Langfristig hofft Yacine Bendjaballah, Generaldirektor der algerischen SNTF, dass bis 2030 eine Hochgeschwindigkeitsverbindung Casablanca-Tunis durchgehend fahrplanmäßig in Betrieb geht. Er bestätigt, dass man erste technische Studien 2015 in Auftrag gegeben hat, als Algerien ankündigte, seine Ost-West-Bahnverbindungen parallel zur Autobahn am Mittelmeer für Hochgeschwindigkeitszüge aus- bzw. umzubauen.

Von einem ebenso finanziell ambitionierten Vorhaben wie dem des marokkanischen Nachbarn in Höhe von 30 Mrd. US-Dollar ist die Rede. Sowie vom Ziel, bis 2025 anstatt der heute knapp 3800 Eisenbahnkilometer bis zu 12.500 landesweit zu betreiben.

Nord-Süd-Autobahnverbindung

In puncto Straßenverkehr hat der Trans-African Highway 1 (TAH-1, auch Kairo-Dakar-Highway), mit 8636 Kilometern Länge, Priorität bei den Staaten Nordafrikas. Algerien hat seinen über 1100 Kilometer langen Ost-West-Mittelmeerabschnitt der Transmaghrébine-Autobahn zwischen Annaba und Tlemcen seit 2011 sukzessive bis an die tunesische Grenze komplettiert.

Mittlerweile ist der TAH-1 weitgehend asphaltiert. Zudem existieren zwei Transsahara-Straßenverbindungen, die N6 im Westen Algeriens nach Mali und der Algier-Lagos-Highway (TAH-7), auch Trans-Sahara-Highway genannt. Er ist die älteste transnationale Straßenverbindung Afrikas. Fast die Hälfte der Strecke, etwa 2300 Kilometer, liegen in Algerien. Teilabschnitte in der Wüste sind in schlechtem Zustand. Gefahr droht auch durch Überfälle seitens der Al-Qaida des Islamischen Maghreb.

Parallel zum TAH-7 wird bereits eine sechsspurige Autobahn vom chinesischen Staatskonzern China State Construction Engineering Corporation begonnen. Erste, komplizierte 53 Kilometer von Chiffa durch den Tellatlas nach Berrouaghia sollen 2018 eröffnet werden.

Auch der letzte nichtasphaltierte Streckenteil im Niger, zwischen Assamakka und der Uran-Bergbaustadt Arlit, mit über 225 Kilometern wird nun mit 102 Mio. US-Dollar finanziert, Bereiche in Algerien werden saniert. "Die Fertigstellung der Nord-Süd-Autobahnverbindung ist essenziell für die Wirtschaft Algeriens und seiner südlichen Partnerstaaten", bekräftigte Algeriens Premier Abdelmalek Sellal diesen März. (Jan Marot aus Granada, 16.9.2017)