Aktuell ist man im SOS-Kinderdorf Altmünster gut ausgelastet, die Nachfrage nach Betreuungsplätzen ist hoch. Beim Land Oberösterreich setzt man künftig dennoch verstärkt auf familiäre Kleinstrukturen.

Foto: Werner Dedl

Linz – In Oberösterreichs SOS-Kinderdörfern macht sich Unruhe breit. Zwar ist man den Umgang mit schwierigen Fällen durchaus gewohnt, ein möglicher "Neuzugang" sorgt aber jetzt in der Chefetage der traditionellen Sozialeinrichtung für Wirbel. Konkret befürchtet man, dass schon bald der Sparefroh Einlass in den beiden Dörfern in Altmünster und Rechberg begehrt.

100 neue Pflegeplätze

Hintergrund ist eine Ankündigung von Soziallandesrätin Birgit Gerstorfer (SPÖ), das "klassische Pflegeelternmodell" gemeinsam mit der Kinder- und Jugendhilfe des Landes entsprechend ausbauen zu wollen. Das ehrgeizige Ziel: "Ein Plus von 100 Pflegeplätzen." Im Vorjahr lebten in Oberösterreich 740 Pflegekinder in sogenannter "voller Erziehung" in rund 430 Pflegefamilien. 1.120 Kinder lebten im selben Zeitraum in Sozialeinrichtungen.

Argumentiert wird der Expansionsschritt im Bereich der pflegenden Familien damit, dass betroffene Kinder so "bessere Entwicklungschancen" hätten. Unerwähnt bleibt aber auch nicht, dass ein Platz in einer Pflegefamilie pro Kind jährlich rund 20.000 Euro kostet – und bei einer Betreuung in einer stationären Einrichtung bis zu 60.000 Euro pro Jahr anfallen. Und da sieht man bei SOS-Kinderdorf die eigentliche Problematik. "Man muss sich bei der Diskussion um Betreuungsplätze an den Bedürfnissen der Kinder orientieren. Es geht immer um passgenaue Hilfen. Pflegefamilien und sozialpädagogische Einrichtungen haben unterschiedliche Zielgruppen. Kinder und Jugendliche, die in den Angeboten von SOS-Kinderdorf leben, würden Pflegefamilien aufgrund ihrer Lebensgeschichten vielleicht überfordern", merkt Kinderdorf-Leiter Gerhard Pohl im STANDARD-Gespräch an.

Durch eine "Umschichtung" in Richtung Pflegefamilie befürchte man einen Rückgang bei den Zuweisungen. Pohl: "Das Land ist unser Auftraggeber. Verringert sich die Nachfrage nach sozialpädagogischen Betreuungsplätzen, könnte dies auch zur Beendigung von Angeboten führen." Österreichweit lukriert SOS-Kinderdorf Gelder zu 33 Prozent über Spenden und zu 67 Prozent über öffentliche Mittel.

Pädagogisches Defizit

Prinzipiell sei man nicht gegen ein "Durchleuchten der Kostenstrukturen im Sozialwesen", aber: "Es besteht die Gefahr, dass hier mitunter auf Kosten der Qualität gespart wird. Pflegefamilien leisten tolle Arbeit, können aber Kindern nicht immer die passende professionelle Unterstützung bieten. Und: Bei unseren Mitarbeitern ist eine einschlägige Ausbildung verpflichtend."

Rund 100 Kinder und Jugendliche bis 19 Jahre wachsen im SOS-Kinderdorf Altmünster auf. Die Hälfte lebt in klassischen Kinderdorf-Familien, die aus Mutter, fünf Kindern und zwei Mitarbeitern bestehen. Parallel dazu gibt es noch andere Wohn- und Betreuungsformen. Im SOS-Kinderdorf in Rechberg leben 25 Kinder.

In der Sozialabteilung des Landes betont man, dass das stationäre Angebot in Oberösterreich in sozialpädagogischen Wohngruppen qualitativ gut sei und "weiterhin gebraucht" werde. Derzeit würde das Verhältnis stationärer zu familiärer Betreuung etwa 60:40 betragen, bis 2012 solle es "ausgewogen gestaltet" sein. Und derzeit seien fast 44 Prozent der Kinder, die in eine Pflegefamilie vermittelt würden, jünger als drei Jahre. Es gelte, auch ein Angebot für ältere Kinder zu schaffen. (Markus Rohrhofer, 13.9.2017)