Bregenz – Das ÖVP-Schulprogramm lässt beim grünen Bildungssprecher Harald Walser "die Alarmglocken klingeln". Die Forderung nach Deutschklassen für Kinder, die nicht ausreichend Deutsch können, bezeichnete Walser am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Bregenz "als gemeingefährlich für die Kinder". Die Separierung wäre für ihn ein Rückschritt. Stattdessen solle verstärkt in die Pädagogenausbildung investiert werden.

Die Sprachförderung müsse beginnend beim Kindergarten bis zum Schulabschluss forciert werden, dafür bräuchte es entsprechend gut ausgebildete Pädagoginnen und Pädagogen. Erfahrungen aus der Praxis zeigten, sagt Walser, dass Kinder durch integrativen Unterricht innerhalb weniger Monate eine Fremdsprache lernen können. Walser: "Aussondern bringt gar nichts. Die ÖVP schwenkt immer mehr auf populistische Forderungen der FPÖ ein. Völlig unverständlich ist, dass das ein Mann macht, der Integrationsminister ist."

Modellregion in Vorbereitung

Wenig Beifall findet bei den Grünen, die für die gemeinsame Schule der Zehn- bis 14-Jährigen eintreten, das Bekenntnis der ÖVP zum differenzierten Schulsystem und zum "Erfolgsmodell Gymnasium". Man werde die Bildungswende vom Westen her einläuten, kündigte Walser, früher Direktor eines Gymnasiums, einmal mehr die Modellregion Vorarlberg an. An der Pädagogischen Hochschule liefen die Vorbereitungen, eine Abstimmung müsste in drei bis fünf Jahren möglich sein. In dieser Zeit müsse die Politik die Rahmenbedingungen dafür schaffen.

Dagegen arbeitet die Initiative "Pro Gymnasium", die weder Geld noch Umsetzungschancen für eine Modellregion sieht. Walser hofft, dass sich die ÖVP in Vorarlberg nicht "von diesen stockkonservativen AHS-Gewerkschaftern in Geiselhaft nehmen lässt". Er fordert zusätzliche 300 bis 350 Millionen Euro im Bundesbudget für die Bildungsreform.

Kritik: Worthülsen und Bilderbuch

Breite Kritik aus allen anderen Parteien gibt es am zweiten Teil des Wahlprogramms des ÖVP-Spitzenkandidaten. "Während die SPÖ im Wahlkampf einen klaren Plan für Österreich vorgelegt hat, setzt die ÖVP um Sebastian Kurz auf Bilder und Plattitüden", erklärte etwa SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder am Mittwoch in einer Aussendung.

Statt inhaltlicher Konzepte, konkreter Maßnahmen, Umsetzungszeitpläne und Finanzierungsvorschläge liefere die ÖVP ein unambitioniertes und inhaltsloses Bilderbuch, meinte Schieder. Ihn erinnere die ÖVP-Wahlbroschüre an die zu jeder Fußball-EM und -WM beliebten Panini-Alben. "Häppchenweise verabreicht und trotzdem unverdaulich", ergänzte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler.

"Nicht mehr als leere Worthülsen" fand FPÖ-Bildungssprecher Wendelin Mölzer im Bildungsprogramm der ÖVP. Darüber hinaus fänden sich – "wenig erstaunlich" – eine Vielzahl von freiheitlichen Positionen im Kurz-Papier. "Wie ernst es Parteichef Kurz mit einigen dieser Forderungen ist, darf allerdings bezweifelt werden", so Mölzer.

Neos von schwarzen Positionen überrascht

Kritik an den ÖVP-Bildungsplänen gab es auch von der stellvertretenden NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger. Kurz sei "als Retter des Bildungswesens unglaubwürdig. Die Probleme in den Wiener Schulen sind schon lange da, aber man hat die nötigen Reformen verabsäumt. Nicht nur die SPÖ, sondern auch die ÖVP hat einfach weggeschaut – die Zukunft der Kinder war ihnen egal", so Meinl-Reisinger. NEOS-Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn zeigte sich unterdessen über die präsentierten ÖVP-Wirtschaftspositionen erstaunt. Kurz schlage etliche Maßnahmen vor, die von der ÖVP bisher konsequent abgelehnt wurden. "Eine Partei, die vor Wahlen stets große Forderungen aufstellt, um sich danach nicht mehr daran zu erinnern, ist nicht ernst zu nehmen", so Schellhorn. (APA, jub, 13.9.2017)