Das Thema der diesjährigen Wienwoche sei auch von diesem Graffiti inspiriert, das man mancherorts in der Stadt finden kann, sagen die Kuratorinnen.

Foto: Christian Philipp / Wienwoche, Senay Mohamed, Annalisa Cannito

Wien – Das Motto der diesjährigen Wienwoche, "Dolce far niente", ist eigentlich nicht ganz korrekt gewählt. Denn das Kulturfestival beschäftigt sich von 22. September bis 1. Oktober nicht – oder zumindest nicht nur – mit dem süßen Nichtstun und dem Müßiggang, sondern mit ziemlich komplizierten und vor allem kontroversiell diskutierten Fragen nach kapitalistischer Weltordnung, ausbeuterischen Produktionsprozessen und Lohnarbeit.

Die Kuratorinnen Ivana Marjanović und Nataša Mackuljak sprechen diese Unschärfe im gewählten Programmtitel auch sogleich an: "It's not about doing nothing." (Es geht nicht darum, nichts zu tun.) Vielmehr gehe es um die Frage, wie man Freude an dem finden kann, was man tut, oder wie man das tun kann, was Freude bereitet, erklären sie bei der Programmpräsentation am Mittwoch. "Was wir nicht mögen", sagt Mackuljak weiter, "ist, dass Arbeit ein Fetisch geworden ist." Und Marjanović legt nach: "Wir arbeiten nicht für uns, sondern für Lohn, unter Druck, schnell und ohne Pause. Wir arbeiten für Kapitalisten."

Hommage an Karl Marx

Und so startet man am Eröffnungsabend mit einer Hommage an Karl Marx und den vor 150 Jahren erschienenen ersten Band seines Monumentalwerks "Das Kapital" in die zehn Tage aus Diskussion, Performance, Musik, Film und Kunst – mit dem Revuetheaterstück "Endlich wird die Arbeit knapp". "Das Reich der Freiheit beginnt in der Tat erst da, wo das Arbeiten, das durch Not und äußere Zweckmäßigkeit bestimmt ist, aufhört", wird Marx darin zitiert. Die Urheber – die Künstlergruppe "150 Years After", die nach eigener Aussage "Klasse" wieder zum Kampfbegriff machen will – fragen sich in dem Stück unter anderem, warum wir nicht weniger arbeiten, wo es doch Roboter gibt. Danach wird getanzt: Im Fluc und der Fluc-Wanne am Praterstern findet das Eröffnungsclubbing der Wienwoche statt. Der Eintritt ist, wie auch bei allen Programmpunkten, frei.

Während der darauffolgenden Tage demonstrieren Soziologen der Uni Wien in Rudolfsheim-Fünfhaus, wie Kapitalismus unser Leben und unsere Wahrnehmung beeinflusst. Menschen, die keinen Zugang zu Arbeit haben, zeigen eine Synchronschwimm-Revue im Floridsdorfer Bad. Filmemacher beschäftigen sich mit der Rolle von Arbeit bei der Integration sowie der Suche nach Arbeit, die Menschen auch zu lebensgefährlichen Reisen in weit entfernte Länder bewegt.

Heilslehre Wellness

Und dann widmet sich noch eine Gruppe Installationskünstler in ihrem Sanatorium Sonnenland der Wellness, jener "Heilslehre, die die arbeitende Bevölkerung als Kontrast zu ihrem tristen Arbeitsalltag zu brauchen scheint", wie es im Programm heißt.

Treffpunkt des Festivals ist die Bedürfniszentrale in der Favoritenstraße im vierten Bezirk: mit diversen DJs, Diskussionen und angeschlossenem Shuttleservice für Menschen, die etwa im Rollstuhl sitzen.

Die Wienwoche findet heuer zum fünften Mal statt, zum zweiten Mal kuratierten sie Marjanović und Mackuljak. Wie schon im letzten Jahr, als sie "genug von der Angst" hatten und sich unter dem Titel "Forever Together" mit Hass und Fremdenfeindlichkeit und deren Gegenstück, Liebe, auseinandersetzten, haben die beiden auch dieses Jahr wieder die Nase voll: "Genug ist genug. Wir wollen anders arbeiten." (Christa Minkin, 13.9.2017)