Melancholie hängt am Mittwochabend über dem Zelt. Der Zauber des Vorabends ist verpufft. Kein Gedränge, nichts. Heute tröpfelt in kleinen Gruppen das After-Work-Publikum ins Zelt. Es hat sich herumgesprochen, dass hier was geboten wird, und zwar genau das Richtige nach einem anstrengenden Bürotag. An einem Humanic-Stand werden müde Füße vermessen, die Red-Bull-Bar sorgt für Energie in Dosen, die hübsch beschürzten Beraterinnen am Chanel-Stand verordnen den Besucherinnen glänzendes Gloss für die strapazierten Lippen und einen Spritzer Parfum fürs Wohlbefinden.

Die Vienna Fashion Week kann eben auch Wellness. Muss sie auch können, denn die Wichtigen und die Schönen, die dem Zelt am Vortag noch eine Note Innenstadt-Glamour aufgedrückt haben, sie sind heute woanders unterwegs.

Aber das macht ja nichts. Auf dem Laufsteg geht es um 19 Uhr einfach tiefenentspannt weiter. Wer im letzten Jahr bereits eine Show des Labels Rozbora Couture besucht hat, weiß, was da jetzt kommt.

Richard Rozbora verordnet roten Lippenstift und Decken über der Schulter.
Foto: Thomas Lerch

Richard Rozbora zeigt seine aufgeräumte, unaufgeregte, etwas behäbige Mode, Hemdblusenkleider und Strickpullover, die neckisch von der Schulter rutschen, Tellerröcke zu Seidenblusen mit Lippenstiftprints, Bundfaltenhosen und Pyjamakleider. Manchmal hängt der Designer einem Model noch ein Tuch über die Schulter. Höhepunkt der Show: ein schwarzer Hosenzug, getragen auf bloßer Haut!

Erkenntnis der Show: Blazer können auch auf bloßer Haut getragen werden.
Foto: Thomas Lerch
Designer Richard Rozbora mit seinen Models.
Foto: Thomas Lerch

Die Besucher im Zelt jedenfalls sind schon auf Betriebstemperatur. Wo in Mailand und Paris fadisierte Gesichter über glimmenden Smartphones hängen, wird hier noch gekichert, wenn ein Strickkleid Einblicke zulässt. Mode soll ja irgendwie Spaß machen – und das tut sie hier showübergreifend.

Danach ist Maria Oberfrank dran. Die Designerin ist eine der drei Veranstalterinnen der Vienna Fashion Week, mit ihrem Label Pitour macht sie Mode für Männer und Frauen, die es in diesem Herbst grau in grau mit ein wenig Lila (ja, Lila) und robust mögen.

Pitour zeigte echte Herbstmode für Frauen ...
Thomas Lerch
... wie für Männer.
Foto: Thomas Lerch
Violettes Gefältel über Leggings.
Thomas Lerch

An diesem Abend zieren die Stirne der Models schwarze Bemalungen, Mäntel und Kleider wurden aus Streifen zusammengesetzt – hier war eine Designerin am Werk, die Wert auf Handwerk und auf Individualität legt. Und die darüber nicht vergisst, dass Mode nicht nur das ganz große Drama für einen Abend ist.

Maria Oberfrank, Designerin und Mitveranstalterin der MQVFW.
Thomas Lerch

Das mögen Oberfranks Fans in Reihe eins und stecken die Köpfe zusammen: die Qualität der Stoffe, ein-ma-lig. Im Zelt ist manchmal auch Platz für Mode, die auf den rasanten Innenstadt-Glamour in High Heels verzichten kann. (feld, 14.9.2017)

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