Die Ausdehnung des arktischen Meereis betrug bis Mitte September rund 4,7 Millionen Quadratkilometer.

Grafik: AWI

Bremerhaven – Das Meereis rund um den Nordpol ist bis Mitte September auf eine Größe von rund 4,7 Millionen Quadratkilometern geschrumpft. Der Rückgang entspricht dem Trend und liege im Mittel der vergangenen zehn Jahre, erklärten Wissenschafter des Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven.

Das Meereis der Arktis gilt als kritisches Element im Klimageschehen und als Frühwarnsystem für die globale Erwärmung. Aus diesem Grund ist das Septemberminimum ein wichtiger Indikator für Klimaänderungen. Trotz eines besonders warmen Winters erreicht das Meereis in diesen Tagen zwar kein neues Rekordminimum, der Eisverlust ist dennoch massiv. "Wir befinden uns mit dem diesjährigen Wert weiterhin auf einem sehr niedrigen Niveau. So ist die jeweils im September gemessene Meereisfläche in den vergangenen elf Jahren geringer gewesen als in allen Jahren davor", sagt der Meereisphysiker Marcel Nicolaus vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI).

Ungewöhnlich warmer Winter

Im Winter war die Arktis noch ungewöhnlich warm. Nie zuvor war die Meereisausdehnung im März so gering wie dieses Jahr. "In einem relativ kalten Sommer konnte sich das Meereis dann etwas erholen, doch das diesjährige Septemberminimum ist keinesfalls als Entwarnung zu verstehen", betont Lars Kaleschke vom Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit an der Universität Hamburg. "Die Größe der Meereisfläche unterliegt zwar natürlichen Schwankungen, der langfristige abnehmende Trend ist aber eindeutig." In den 1970er und 1980er Jahren lagen die sommerlichen Minimumwerte noch bei durchschnittlich rund sieben Millionen Quadratkilometern.

Die jeweils aktuelle Meereisfläche wird mit Hilfe von Satelliten bestimmt. Die besonders hochaufgelösten Mikrowellen-Satellitendaten, die von den Universitäten Bremen und Hamburg gemeinsam erstellt werden, erlauben eine genaue Analyse der täglichen Meereisbedeckung in der gesamten Arktis. "Dies ist besonders auch für die Schifffahrt interessant. Die Nordost-Passage entlang der russischen Küste war in diesem Sommer ohne Eisbrecherunterstützung befahrbar und auch die Nordwest-Passage wurde von vielen Schiffen durchquert", sagt Gunnar Spreen vom Institut für Umweltphysik an der Universität Bremen.

Zuverlässige Prognosen

Schon mehrere Monate vor dem Septemberminimum informierten Wissenschaftler weltweit in der Meereisprognose "Sea Ice Outlook" über die zu erwartende minimale Meereisfläche. Das Alfred-Wegener-Institut hat in diesem Jahr mit zwei Vorhersagemethoden zur arktischen saisonalen Meereisvorhersage beigetragen. Beide Prognosen kamen auf ähnliche Werte, die fast dem tatsächlich beobachteten Septemberminimum entsprechen. So prognostizierte bereits im Juli ein dynamisches Vorhersagemodell ein Septemberminimum von 4,93 Millionen Quadratkilometern. Ein statistisches Modell berechnete zur selben Zeit einen Wert von 4,74 Millionen Quadratkilometern.

Die räumlichen Muster der Eisausdehnung unterschieden sich in diesem Jahr von denen des letzten Jahres sowie vom langjährigen Muster. Während dieses Jahr weniger Eis in der Tschuktschensee und der Ostsibirischen See verzeichnet wurde, gibt es dafür mehr Eis nördlich von Spitzbergen und in der Beaufortsee als in 2016. Die Oberflächenschmelze begann in einigen Randregionen des Arktischen Ozeans ziemlich früh. In großen Teilen des zentralen Arktischen Ozeans lag der Schmelzbeginn jedoch ein paar Tage später als der Durchschnitt von 1981 bis 2010. Der Zeitpunkt des Schmelzbeginns ist nicht nur für die Gesamtmasse des Meereises von Bedeutung, sondern bestimmt auch den Lebenszyklus der Organismen im und unter dem Meereis.

Dünneres Eis

Die Meereisdicke wurde in den vergangenen Wochen während der TIFAX-Kampagne (Thick Ice Feeding Arctic Export) mit Flugzeugmessungen untersucht. Dabei kamen Laserscanner sowie eine geschleppte elektromagnetische Sonde zum Einsatz. Im Untersuchungsgebiet nördlich der Framstraße, zwischen Grönland und Spitzbergen lag die Eisdicke mit rund 1,7 Metern etwa 50 Zentimeter über der im Jahr 2016 gemessenen Eisdicke. Grund hierfür dürfte unter anderem ein höherer Anteil an mehrjährigem Eis sein, der in diesem Jahr in der Messgegend präsent war.

Die gemessenen Werte liegen aber dennoch rund 30 Prozent unter der in 2001 und 2004 beobachteten Dicke. "Insgesamt stellen wir fest, dass das Meereis trotz des warmen Winters nicht außergewöhnlich dünn war. Dies liegt vermutlich auch daran, dass die geringe und dünne Eisdecke des letzten Sommers – immerhin die zweitgeringste überhaupt – besonders schnell angewachsen und dicker geworden ist, da dünnes Meereis schneller wächst als dickeres", ordnet Marcel Nicolaus die Messungen ein.

Der genaue Wert des Meereisminimums im Jahr 2017 wird als Monatsmittelwert für den September angegeben und kann entsprechend erst im Oktober ermittelt werden. Er wird voraussichtlich bei etwa 5 Millionen Quadratkilometern für den September 2017 liegen. Die Wissenschaftler resümieren: "Die geringe Ausdehnung des arktischen Meereises reiht sich in die niedrigen Werte der letzten Dekade ein. Wir rechnen nicht damit, dass es in den kommenden Jahrzehnten noch einmal Eisbedeckungen von 6 oder 7 Millionen Quadratkilometern geben wird, wie sie noch bis ins Jahr 2000 typisch waren." (red, 17.9.2017)