Seit 1956 fanden hier 2431 Sitzungen des Nationalrates statt. Der Großteil des Inventars wird über eine Online-Auktion versteigert. Der Erlös, abzüglich der Provision des Dorotheums, fließt in das Bundesbudget.

Foto: Matthias Cremer

Oktober 1945: Unter dem Titel "Unser Parlament" erschien in der Österreichischen Volksstimme eine Meldung, der wohl ein Leserbrief zugrunde lag. Mit großer Genugtuung habe man vom Wiederaufbau der Oper und des Doms von St. Stephan vernommen, jedoch dränge sich die Frage auf: "Was ist's mit unserem Parlament?"

Das 1874 bis 1883 nach einem Entwurf von Theophil Hansen im neoklassizistischen Stil errichtete "Reichsratsgebäude", so die historische Bezeichnung, war bei Bombardements im Februar schwer beschädigt worden. Laut dem Zentralorgan der KPÖ sei eine zügige Instandsetzung eine "moralische Verpflichtung". Man sei es dem "Ansehen vor der demokratischen Welt schuldig", dass "unsere neu gewählte Volksvertretung in ein würdiges Heim einzieht". Die Aufräum- und Sicherungsarbeiten nebst der Installierung von Notdächern sollten noch Jahre dauern.

Eine im hauseigenen Archiv verwahrte Aufstellung bezifferte die bis 1949 kalkulierten Gesamtkosten auf 7,55 Millionen Schilling. Tatsächlich sollte die komplette Sanierung inklusive der neuen Innenausstattung ein Vielfaches verschlingen und erst 1956 abgeschlossen sein. Mit der Bauleitung hatte man Max Fellerer beauftragt, einst Mitarbeiter von Josef Hoffmann und Clemens Holzmeister. Zusammen mit seinem Kompagnon Eugen Wörle gestaltete er auch den alten Herrenhaussitzungssaal neu, der in vornehmer Zweckmäßigkeit an Hansens Werk anknüpfte.

Der Erlös fließt ins Bundesbudget

Die erste Sitzung des Nationalrates fand dort am 8. Juni 1956 statt, die letzte 2431 Sitzungen später am 13. Juli 2017. Denn nun steht eine umfangreiche Renovierung des Gebäudes auf dem Programm. Ein kleiner Teil des Inventars wird im Ausweichquartier verwendet, der Großteil des historischen Mobiliars wird restauriert und kommt nach der Sanierung wieder zum Einsatz.

Anderes wurde ausgemustert und wird im Dorotheum über eine Online-Auktion versteigert: 350 teils zu Konvoluten zusammengefasste Objekte aus zwei Ausstattungsperioden.

Die Auktion begann am 5. September und endet kommenden Dienstag (19. 9.). Der hohen Anzahl der Zugriffe war der Server anfänglich nicht gewachsen, wohl auch aufgrund der Startpreise von 15 Euro aufwärts. Der Erlös fließt, abzüglich der Provision des Auktionshauses, ins Bundesbudget.

Stand Dienstag dieser Woche waren für 206 von insgesamt 314 Posten Gebote abgegeben worden. Das stärkste Interesse galt einem nicht näher bezeichneten Servierwagen ("2. Hälfte 20. Jh.") und einem Stenografentisch (Architekt Gschlacht, 1997). Zwei Objekte, für die sich die Bundesmobilienverwaltung (BMobV) für die Sammlung des Hofmobiliendepots interessiert hätte. Die Betonung liegt auf dem Konjunktiv.

Auf Kosten der Steuerzahler

Da es sich bei dem Parlamentsinventar um Bundesbesitz handelt, der automatisch unter Denkmalschutz steht, musste für die zur Auktion gelangenden Möbel beim Bundesdenkmalamt ein "Ansuchen um Deakzession" gestellt werden, erklärt Andrea Schenk, in der Parlamentsdirektion für Architektur und Denkmalpflege zuständig. Im Juni informierte das Bundesdenkmalamt (BDA) einige Museen über die bevorstehende Auktion und fragte an, ob "ein grundsätzliches Interesse an einzelnen Ausstattungsstücken" bestehe. Der Mail vom 21. Juni war eine Liste mit 441 Exponaten beigefügt. Am 29. Juni erfolgte eine für die Kuratoren eher enttäuschende Mitteilung. Laut BDA habe die Parlamentsdirektion entschieden, "dass es keine Vorverkäufe (bzw. Widmungen) von Ausstattungsstücken geben werde, weil dies als Ungleichbehandlung gewertet würde".

Das im Parlamentsbestand verbleibende Mobiliar könne künftig als Leihgabe angefragt werden. Die Schätzwerte der zur Versteigerung gelangenden Objekte seien ohnedies niedrig angesetzt, es könne sich also "jedermann (auch öffentliche Museen)" daran beteiligen. Dass der Steuerzahler, der ja einst die Ausstattung des Parlaments finanzierte, nun über etwaige Ankäufe von Museen doppelt zur Kasse gebeten wird, sei erwähnt.

Die Gebote für die teils sehr strapazierten Drehsessel aus dem Sitzungssaal des Nationalrates starten bei 50 Euro. Sie waren fix in den Boden montiert und benötigen zur künftigen Nutzung einen Standfuß. Der kostet separat. In der von der Parlamentsdirektion eigens entwickelten Mustervariante 246 (Roheisen) oder 336 Euro (pulverbeschichtet, schwarz matt).
Foto: Dorotheum

Anders als das Wien-Museum, das Museum für angewandte Kunst oder das Haus der Geschichte gilt die BMobV als Dienststelle. Daher wurde geltendes Bundesgesetz eingemahnt, wonach "bewegliches Bundesvermögen" vor Verkauf oder Deakzession "im Wege der Sachgüterübertragung" sogar angeboten werden muss. Mit sechs Objekten bekam man einen Teil der ursprünglich gewünschten. Der Servierwagen und ein Stenografentisch waren nicht darunter, da sie doch nicht versteigert, sondern im Parlamentsbestand verbleiben sollten.

Nun darf sich das Hofmobiliendepot mit anderen potenziellen Käufern um die Objekte matchen. Auch genannte Museen steigern einem Rundruf zufolge mit, wollen sich jedoch nicht in die Karten schauen lassen. Um sich nicht gegenseitig in die Höhe zu lizitieren, könnte wohl eine Abstimmung unter den Kuratoren lohnen. (Olga Kronsteiner, 16.9.2017)