Dominik Thalhammer ist seit 2011 Trainer des Frauenfußballteams. Bei der EM in den Niederlanden erreichte sein Team sensationell das Halbfinale. Die Latte für die WM-Quali liegt also hoch.

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STANDARD: Sie haben sich nach der EM Gedanken über Ihre Zukunft gemacht. Die WM-Quali beginnt, Sie sind noch immer Teamchef. Was hat Sie dazu bewogen zu bleiben?

Thalhammer: Die EURO an sich, die Erfahrungen dort, die Mannschaft, das Betreuerumfeld und die Motivation, so etwas vielleicht noch einmal zu erleben.

STANDARD: Wie schnell wurde Ihnen klar, dass Sie weitermachen wollen?

Thalhammer: Ich habe ein bisschen darüber nachgedacht. Wenn man etwas erreicht, was vor einiger Zeit undenkbar gewesen wäre, dann überlegt man: "Was soll noch Größeres oder Besseres kommen? Kann man das noch einmal schaffen?" Oft denkt man, wenn man am Höhepunkt einer Sache ist, sollte man vielleicht etwas anderes machen. Aber ich sehe das noch nicht so.

STANDARD: Hatten Sie andere Angebote?

Thalhammer: Jedenfalls nichts, wofür man das, was man hat, liegen lässt.

STANDARD: Seit dem EM-Halbfinale sind knapp sieben Wochen vergangen. Schwirren die Erlebnisse in den Niederlanden noch in Ihrem Kopf herum?

Thalhammer: In letzter Zeit weniger, aber unmittelbar nach der EURO war das schon so, weil uns die Zeit sehr verbunden hat. Ich habe daheim noch davon geschwärmt. Dann hat mich meine Frau gefragt, ob ich wisse, dass ich auch eine Familie zu Hause habe. Natürlich lebt das eine oder andere wieder auf, nachdem wir uns wieder getroffen haben und die EURO ein bisschen Revue passieren haben lassen.

STANDARD: Während der EURO haben Sie den Spielerinnen positive Szenen aus den Partien gezeigt. Haben Sie diese Videos auch jetzt, während des Vorbereitungslehrgangs auf das Spiel in Serbien, angeschaut?

Thalhammer: Ja. Viele Leute sagen, dass man von etwas Besonderem, das man erlebt hat, nicht leben kann, dass man sich davon nichts kaufen kann. Wir sind da anderer Meinung. Weil man in den Videos die Begeisterung, die Leidenschaft sieht. Weil man sieht, was man mit Träumen und Visionen als Außenseiter schaffen kann. Das wird diese Mannschaft prägen, und deswegen wird das, was in den Niederlanden passiert ist, auch immer in uns sein.

STANDARD: Bei der EURO wurde stets das Teamgefüge, das Wirgefühl betont – kann man das in der Form wieder abrufen?

Thalhammer: Ich glaube, wir sind eine Wertegemeinschaft. Respekt und Bodenständigkeit etwa sind für uns wichtig. Diese Werte haben wir in den Niederlanden gelebt. Wir sind keine Partymannschaft, aber unsere Werte haben die Feierlichkeiten zugelassen. Das war für damals okay, jetzt ist es anders. Das Lied "Johnny Däpp" etwa, das oft gesungen wurde, wollen die Mädels jetzt nicht mehr hören. Wir wissen auch nach der EURO noch, wer wir sind. Unsere Werte haben sich nicht verändert. Es ist extrem wichtig, dass wir unser Auftreten, das Bodenständige beibehalten. Deshalb waren die zwei wichtigsten Punkte auf diesem Lehrgang, dass wir neue Ziele definieren und uns auf unsere Werte besinnen.

Das Wir-Gefühl wurde bei der EM oft betont.
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STANDARD: Haben Sie das Gefühl, dass die Spielerinnen auf dem Boden geblieben sind?

Thalhammer: Ja. Man merkt, dass sie in diesem Lehrgang reif, konzentriert und fokussiert aufgetreten sind. Die Spielerinnen freuen sich, wenn viele Leute beim Trainingsplatz sind, und über Autogrammwünsche. Das hat sich nicht verändert.

STANDARD: Sportlich hat man die Latte mit dem Halbfinale extrem hochgelegt – zu hoch?

Thalhammer: Sie liegt natürlich höher. Aber wenn man Frauenfußball in Österreich als Ganzes betrachtet, dann hat sich nicht viel geändert. Es gibt noch die gleichen Probleme in der Liga und in der Breite. Das Nationalteam funktioniert, aber man darf die Erwartungen nicht zu hoch stecken. Unser Kreis an Spielerinnen ist kleiner als bei anderen Spitzenteams in Europa. Die Latte liegt hoch, aber wenn man in eine WM-Quali startet, wäre es verwunderlich, wenn man sich nicht das Ziel der Quali stecken würde.

STANDARD: Wie realistisch ist die Quali?

Thalhammer: Sie ist weniger wahrscheinlich als die EM-Quali. Es gibt nur acht Startplätze für europäische Teams statt 16 wie bei der EM. Trotzdem ist sie das Ziel.

STANDARD: Mit der WM-Quali beginnt quasi wieder der Alltag. Wie viel, glauben Sie, wird von dem EM-Hype noch übrigbleiben?

Thalhammer: Ich glaube, dass das noch eine Zeit lang aufrechtbleiben kann. Die Medienaufmerksamkeit ist immer noch groß. Und Leute begegnen uns extrem positiv.

STANDARD: Bei der EURO hat Österreich vor allem die starke Defensive ausgezeichnet – wird das auch künftig das Herzstück sein?

Thalhammer: Es geht um Weiterentwicklung. Wir wollen uns im Offensivspiel, im taktischen Bereich weiter verbessern.

Thalhammer hat einen guten Draht zu seinen Spielerinnen.
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STANDARD: Worauf lag vor dem Spiel gegen Serbien in Krusevac der Fokus?

Thalhammer: Auf dem Offensivspiel. Der Gegner ist nicht über uns zu stellen. Wir wollen eine Spielweise wählen, bei der wir eine gewisse Dominanz, einen gewissen Ballbesitz und gewisse Lösungsmöglichkeiten im letzten Drittel brauchen.

STANDARD: Ein Pflichtsieg?

Thalhammer: Wahrscheinlich muss man das so annehmen – auch von der Weltrangliste her. Die Serbinnen sind ein bisschen eine Wundertüte. Sie liefern teilweise gute Ergebnisse, dann wieder weniger gute.

STANDARD: In Dänemark streiken die Spielerinnen, weil sie höhere Honorare verlangen. Finden Sie das nachvollziehbar?

Thalhammer: Eher nicht. Aber ich kenne die Historie zu wenig, um diesen eklatanten Schritt nachvollziehen zu können. Bei unserer Mannschaft wäre das wohl nicht denkbar, weil wir von der Kommunikation her andere Mittel finden würden.

STANDARD: Wären für die ÖFB-Spielerinnen nicht auch höhere Honorare gerechtfertigt?

Thalhammer: Es gibt einen Spielerinnenrat. Es finden ständig Gespräche statt. Ich hoffe, dass es in die Richtung einer entsprechenden Angemessenheit geht. (Birgit Riezinger, 18.9.2017)

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Live-Ticker: Serbien vs. Österreich, Di., 20 Uhr