Der niederländische Schriftsteller Arnon Grünberg ist "Der Ersatzvater".

Kollage: Armin Karner

Als ich die Bahnhofstreppen des Zutphener Bahnhofs hinunterkomme, stehen drei barfüßige Mädchen vor mir. Vor kurzem war ich noch bei ihnen zu Hause – um Missverständnissen vorzubeugen, hatte ich mit dem Vater gesprochen, den ich ersetzen soll –, und da wurde mir erzählt: "Wir tragen zu Hause keine Schuhe." Auf dem Bahnhof offensichtlich auch nicht.

So fängt meine Ersatzvaterschaft an, mit bloßen Füßen.

Ich küsse die Mutter, Marjolein, auf die Wange. Auf dem Arm hält sie die Jüngste, Zora. Die anderen drei Mädchen, Layla (2), Thura (4) und Ronja (5), rennen schon mal vor zum Auto. Mein Koffer passt nicht hinten rein, darum muss ich illegal auf dem Boden zwischen zwei Kindersitzen hocken, während mein Koffer den Platz neben Marjolein bekommt.

"Bist du lange unterwegs gewesen?", fragt sie.

Während wir zum Ferienhaus fahren – meine Familie wohnt in einem Ferienpark –, erzählt Marjolein: "Ich bin wirklich fix und fertig, einen Ersatzvater kann ich gut gebrauchen. Ein anderer Vater im Ferienpark fragte schon: 'Kommt der noch? Dann stelle ich dem gemeine Fragen. Dem seine Bücher krieg ich nämlich nie gelesen.' Ich wollte ihn erst zu Zoras Geburtstag einladen, aber das habe ich doch bleiben lassen. Zora wird am 4. September ein Jahr alt."

"Ich bin gemeine Fragen gewöhnt", sage ich.

In diesem Moment werde ich von den beiden älteren Mädchen mit Liebkosungen überschüttet. Sie fangen auch an, mich zu schubsen. "Ich habe nur gesagt, dass sie nicht schubsen dürfen, über Knuddeleien hab ich nichts gesagt", erklärt die Mutter.

"Vermisst ihr euren Papa sehr?", will ich wissen.

"Jaaaa", ruft Ronja. "Soll ich Wasser über dich gießen?"

Der Ersatzvater muss getestet werden wie ein neuer Staubsauger.

Zu Hause fangen die größeren Mädchen an zu malen, das jüngste wird gestillt, und dann schlägt die Mutter vor, ich solle vorlesen, damit sie kochen kann. Ich lese vor aus Kaatje zieht um von Liesbet Slegers, das auf dem Sofa rumliegt.

Erst lässt sich die Ältere laut stöhnend hintenüberfallen. Bald laufen alle Kinder weg.

"Pack deinen Koffer aus", sagt die Mutter.

Ich habe kein eigenes Bett, wohl aber einen eigenen Schreibtisch. Auf diesem Schreibtisch liegt ein Geschenk von Rini, dem echten, aber vorübergehend abwesenden Vater. Es ist ein Buch, das er geschrieben hat: The Power of Nothing – A Spiritual Guide to True Emptiness.

Auf dem Umschlag stehen Empfehlungen wie "One of those truly exceptional books".

Ich schlage es auf. Alle Seiten sind leer.

(Fortsetzung folgt am Donnerstag)

(Arnon Grünberg, 20.9.2017)