In Irland trinkt man gern Stout. Selbst wenn man ein Rindvieh ist. Nigel Logan hat in Randalstown, eine knappe Autostunde von Belfast entfernt, zwei Dutzend Rinder im Stall stehen, zudem Schweine und sogar ein paar Lamas, irgendwo kräht ein Hahn. 2014 kam Nigel auf die Idee, dass man ja nicht nur Kobe-Rindern Bier verfüttern könnte, ein Stout wäre doch auch "good for you" (wie der langjährige Guinness-Slogan lautete), für seine ShorthornRinder. Wirklich? "Ja, komm mit!" Nigel füllt einen Kübel mit Stout und nimmt ihn in den Stall mit: Das Vieh merkt gleich auf – auch wenn man im Stall weit von der Atmosphäre eines Irish Pubs entfernt ist, wird dem irischen Bier hier offenbar freudig zugesprochen.

Natürlich wäre es ein bisschen teuer, das zu verfütternde Bier von einer Großbrauerei zu kaufen. Weshalb Nigel die kleine Hillstown-Brauerei in seinem Bauernhaus eingerichtet hat. Mit sechs Hektoliter Sudmenge, also 600 Liter oder 1055 UK-Pints, gibt man sich auf dem Hillstown-Gut bescheiden, die Brauerei ist aber eben genau das, was für seinen Betrieb passt. Und klar, das Bier darf man auch kosten.

In Nordirland punkten vor allem kleine Brauer mit frischem Bier, wie Walled City in Derry.
Foto: Conrad Seidl

Schokobier

Horny Bull heißt das Bier in der für Menschen gedachten Abfüllung. Sieben Prozent Alkohol hat dieses Stout, ist tiefschwarz, hat ein leicht säuerliches Aroma, einen vollmundigen, fast süßen Trunk, ein bisschen wie Milchschokolade – aber fast keine Bittere. "Die Rinder mögen es nicht bitter", erklärt Nigel.

In dem an die Brauerei angeschlossenen Lokal findet sich ebenfalls kein Hauch von Irish Pub. Es ist eher eine Mischung aus Konditorei und Bauernladen, untergebracht in einer Art Scheunengebäude. Aber eben mit vielen Bieren. Wäre ja auch schade, all das Bier dem lieben Vieh zu verfüttern, sagt der brauende Bauer augenzwinkernd. Seinen Ab-Hof-Verkauf hat er schon seit zehn Jahren – und als er eigenes Bier anzubieten hatte, da war Hillstown bald der beliebteste Bauernhofladen im ganzen Umland. Schau die Farm an und kaufe ihre Produkte, lautet das Rezept.

Guinness bekommt auch Konkurrenz in den alteingesessenen Pubs ...
Foto: Conrad Seidl

Nichts Spektakuläres eigentlich – wenn man von dem großen, roten (und offenbar ziemlich alten) Massey-Traktor absieht, der blankgeputzt auf dem Kühlraum steht und das Gastzimmer optisch dominiert. Wirklich spektakulär sind aber die Auszeichnungen, mit denen sich die relativ neue Brauerei schmücken kann: Die Hillstown-Biere – darunter Red Ale, Belgian Ale und natürlich ein IPA – haben in den vergangenen Jahren Medaille um Medaille bei diversen Craftbier-Wettbewerben eingeheimst.

Und wo bleibt das, was man als typisch für die britische Bierkultur halten würde, das "Real" oder "Cask-Conditioned" Ale? Also jenes im Ausschankfass nachgereifte Bier, um dessen Förderung sich im ganzen Vereinigten Königreich die Campaign for Real Ale kümmert? Nun: In Irland gibt es da nicht viel zu pflegen, auch nicht in Nordirland.

Mit einer Ausnahme vielleicht: The Crown in Belfast ist ein viktorianisches Pub, wie man es sich stilgerechter nicht vorstellen kann. Überall die üppige Dekoration des späten 19. Jahrhunderts und tatsächlich handgepumptes Ale aus dem Cask. Hier kommt es aus ausgewählten Kleinbrauereien – und eine davon ist sogar wirklich regional: Whitewater liefert ein Belfast Ale, auch wenn die Brauerei ein paar Kilometer südlich von Belfast in den Mourne Mountains liegt. Bernard Sloane gründete die Brauerei 1996, nachdem er als Vertreter für Brauereianlagen gesehen hatte, wie in England die erste Welle von Craftbier-Brauereien eine überzeugende Antwort auf die Konzentrationswellen der 1970er- und 1980er-Jahre gegeben hat.

Mit seinen englischen Erfahrungen kehrte Bernard zurück auf die väterliche Farm in Nordirland und stellte sein erstes Maischgefäß in einem früheren Erdäpfellager auf. 800 Liter war sein erster Sud groß – und es brauchte seine Zeit, bis er in der damals von Großbrauereien (Guinness stand und steht in Nordirland gut da) dominierten Pubszene seine Biere etablieren konnte.

Aufwendige Bierpflege

Der Erfolg gibt ihm recht: Im Frühjahr 2017 konnte Bernard seine neue Braustätte in Castlewellan eröffnen – und einen bescheidenen Teil seiner Biere (vor allem sein 4,5-prozentiges Belfast Ale) in traditionelle Casks abfüllen. Wobei das Problem besteht, dass Real Ale Pubs viel Aufwand in der Bierpflege treiben müssen – und einen entsprechenden Reifekeller und die traditionellen Handpumpen brauchen.

Wie beispielsweise dem The Crown in Belfast.
Foto: Conrad Seidl

In Belfast ist das eine Seltenheit – wie ja auch The Crown dort eine Rarität ist. Man erzählt sich, dass Katholiken das im Namen der englischen Krone eingerichtete Lokal vor allem deshalb gern betreten, weil sie beim Hinein- und Hinausgehen ein im Eingangsbereich in den Boden eingelassenes Mosaik ebendieser Krone mit Füßen treten können.

Andere Belfaster Pubs haben üblere Geschichten zu erzählen: Während der "troubles", wie die Zeit des Nordirland-Konflikts zwischen den Unruhen von 1969 und dem Karfreitagsabkommen von 1998 bezeichnet wird, waren die Pubs ziemlich streng in katholische und protestantische geteilt – und dann oft Ziel von Anschlägen der jeweils anderen Konfliktpartei. Einige Lokale haben heute noch vergitterte Fenster und einen Käfig für Sicherheitchecks als Eingangsbereich. Etwa The Sunflower auf der Union Street, wo der Käfig nun grün angestrichen und mit Blumen behängt ist – eine Touristenattraktion eigener Art.

Drinnen wird das Bier der Hercules Brewery ausgeschenkt – kein Cask-Conditioned Ale, aber eines mit durchaus respektablem Hintergrund: Hercules war im 19. Jahrhundert eine der großen Brauereien im damals zweitgrößten britischen Hafen. Guinness hat alle 13 Brauereien nach und nach verdrängt, aber 2014 hat der ehemalige Weinhändler Niall McMullan eine Craftbier-Brauerei unter dem alten Namen gegründet und eine Serie von Yardsman-Bieren aufgelegt, die auf beinahe archaische Weise hergestellt werden: Statt eines Läuterbottichs wird ein Tuch aus irischem Leinen verwendet. Auch die Filtration des fertigen Yardsman-Bieres erfolgt durch Leinentücher. Mit seinem vollmundigen, leicht süßen und mild gehopften Stout hat Niall es geschafft, in der Sunflower-Bar (und später auch in einigen anderen Lokalen) das berühmte Guinness zu verdrängen, wie er stolz erzählt. (Conrad Seidl, RONDO, 23.9.2017)