Das Minarett der Moschee des türkischen Kulturvereins Atip in Saalfelden im Pinzgau.

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Wien – Im österreichischen Intensivwahlkampf sind der Islam und die Muslime wichtige und umstrittene Themen. Da kommt eine am Donnerstag von der in Wien ansässigen EU-Grundrechteagentur veröffentlichte Studie gerade recht, sie liegt dem STANDARD vor. Der "Second European Union Minorities and Discrimination Survey – Muslims (Midis II)" – "Midis I" wurde 2009 veröffentlicht – bietet Erkenntnisse über den heimischen Tellerrand hinaus bezüglich Einstellungen und Benachteiligungserfahrungen der rund 20 Millionen Musliminnen und Muslime in der EU.

Befragt wurden rund 10.500 Muslime der ersten und der zweiten Einwanderergeneration in 15 Staaten der Union. Die Samples waren repräsentativ. Neben Deutschland und Frankreich, Wohnort von 46 Prozent aller Muslime in der EU, wurden die muslimischen Communitys in Belgien, Zypern, Dänemark, Griechenland, Spanien, Finnland, Italien, Malta, den Niederlanden, Schweden, Slowenien und Großbritannien einbezogen. Sowie jene in Österreich, wobei man sich hier auf Einwanderer aus der Türkei beschränkte.

Das Verhältnis der Österreicher zu Muslimen im Land ist negativer, als in den meisten anderen EU-Staaten. Das zeigt der aktuelle Bericht der EU-Agentur für Grundrechte. Beitrag aus der ORF-ZiB 9 Uhr.
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Schlechte Note für Österreich

Die Ergebnisse sind auch aus österreichischer Perspektive beachtenswert. Gefragt wurde zum Beispiel nach dem subjektiven Zugehörigkeitsgefühl der Muslime zu ihrer Nachbarschaft, ihrer Wohngemeinde, -stadt und -region, ihrem Wohnsitzstaat sowie der EU insgesamt. Auf einer Skala von eins (gar nicht zugehörig) bis fünf (sehr stark zugehörig) nannten hier in allen 15 Staaten 76 Prozent die Zahlen Vier oder Fünf.

In Österreich war dieser Prozentsatz um einiges niedriger, sodass sich nur eine durchschnittliche Zugehörigkeitsnote von 3,5 ergab – das drittschlechteste Ergebnis nach Italien und den Niederlanden.

Keine Muslime als Nachbarn

Diese niedrigen Werte korrespondieren laut der "Midis II"-Studie mit ablehnenden Einstellungen gegenüber Muslimen in der Gesamtbevölkerung. 2008 hätten Befragte in Österreich zu 31 Prozent, und damit unter den genannten 15 Staaten am zweithäufigsten, erklärt, dass sie keine Muslime als Nachbarn wollten, wird die damalige "Europäische Wertestudie" zitiert. Am häufigsten fiel besagte Negativaussage zu diesem Zeitpunkt in Zypern (36 Prozent), am seltensten in Frankreich (sieben Prozent).

In manchen Bereichen, so "Midis II", seien Muslime toleranter als die Gesamtbevölkerung. So hätten in der EU-Gesamtbevölkerung laut dem Eurobarometer 2015 rund 30 Prozent angegeben, sich im Fall einer Liebesbeziehung ihrer Kinder mit Muslimen "unwohl zu fühlen". Unter Muslimen hingegen hätten für die "Midis II"-Studie nur 17 Prozent die Aussage bejaht, sie würden eine interreligiöse Heirat in der eigenen Familie total ablehnen.

Probleme mit Homosexuellen

Darüber hinaus gaben für "Midis II" vier von fünf muslimischen Befragten an, Freunde mit anderem religiösem oder ethnischem Hintergrund zu haben. Verwerfungen hingegen gibt es bei der Einstellung zu Lesben, Schwulen und Transgenderpersonen: 23 Prozent der Muslime würden Homosexuelle, 30 Prozent Transgenderpersonen nur ungern als Nachbarn haben (Gesamtbevölkerung in den 15 EU-Staaten: durchschnittlich 16 Prozent).

Problematisch erscheint auch, dass unter Muslimen elf Prozent körperliche Gewalt für akzeptabel halten, wenn ihre Religion beschimpft wird. In der Gesamtbevölkerung sind das vier Prozent.

Gutes Zeugnis für Polizei

Ein Positivzeugnis im Staatenvergleich stellt die neue Studie der österreichischen Polizei aus. Nur 14 Prozent der befragten türkischen Muslime gaben an, in den vergangenen fünf Jahren aus ethnischen Gründen kontrolliert worden zu sein. In allen 15 Ländern hatten 32 Prozent von derlei Ethnic Profiling berichtet.

Im Durchschnittsbereich wiederum bewegt sich das in Österreich erhobene Ausmaß von Diskriminierung aus ethnischen oder religiösen Gründen. Dieser Durchschnitt liegt allerdings auf einem hohen Niveau: knapp unter 60 Prozent. (Irene Brickner, 21.9.2017)