Eine Blastozyste am fünften Tag nach der Befruchtung. Ohne das Gen OCT4 wird diese Entwicklungsstufe nicht erreicht.

Foto: RWJMS IVF Program

London – Die Genschere CRISPR/Cas9 gilt heute als vielversprechendste Methode, um präzise Eingriffe im Genom vorzunehmen. Durch die präzise Herbeiführung von Mutationen in bestimmten Abschnitten der DNA, dem Träger der Erbinformation, können einzelne Gene eingefügt, entfernt, ausgeschaltet, modifiziert oder repariert werden.

Als erstes Land weltweit hat Großbritannien 2016 die Anwendung der Genschere an menschlichen Embryonen bis zum Alter von sieben Tagen zur Erforschung von Fehlgeburten erlaubt. Auch wenn explizit festgehalten wurde, dass die veränderten Zellen nicht in Frauen eingepflanzt werden dürfen, fachte die Entscheidung der zuständigen Behörde Human Fertilisation & Embryology Authority die ethische Debatte über Genome Editing am Menschen an.

Entscheidendes Gen

Nun schritten Forscher um Kathy Niakan vom Francis-Crick-Institute in London, die den Antrag auf Zulassung damals eingebracht hatte, zur Tat: Sie untersuchten mithilfe der Methode erstmals ein "Schlüsselgen" für die Embryonalentwicklung. Wie Niakan und Kollegen in "Nature" berichten, verdeutliche ihre Studie das Potenzial von CRISPR/Cas9 für die Erforschung von Genfunktionen im frühen Entwicklungsprozess. "Dieses Wissen kann genutzt werden, um Methoden zur künstlichen Befruchtung zu verbessern und zu verstehen, wieso es zu Fehlgeburten kommt", sagte Niakan.

Dem Gen OCT4 wird schon länger eine wichtige Funktion in der Embryonalentwicklung zugeschrieben, seine genaue Rolle war bislang jedoch unbekannt. Für ihre Arbeit verwendeten die Forscher nun 41 "überschüssige" befruchtete Eizellen, die von Paaren nach In-vitro-Fertilisationen gespendet worden waren. Darin schalteten die Forscher mithilfe von CRISPR/Cas9 dann OCT4 aus, um nach sieben Tagen Entwicklungszeit die Folgen zu untersuchen.

Fehlende Entwicklung

Dabei zeigte sich, dass das Gen entscheidend für die Bildung der Blastozysten (das Entwicklungsstadium ab dem vierten Tag nach der Befruchtung) aus verschiedenen Zelltypen ist: Wurde OCT4 ausgeschaltet, erreichten die Embryonen diese Entwicklungsstufe nicht. "Wir waren überrascht, wie zentral das Gen ist", sagte Koautorin Norah Fogarty (ebenfalls Francis-Crick-Institute).

Unfruchtbarkeit und Fehlgeburten könnten direkt mit einer gestörten Funktion von OCT4 zusammenhängen, so die Wissenschafter. Die Studie könne einen Rahmen für künftige Arbeiten bilden, um die wichtigsten genetischen Faktoren für die Entwicklung von Embryonen zu gesunden Babys zu identifizieren und möglicherweise auch klinische Anwendungen zu entwickeln. (David Rennert, 21.9.2017)