Wien galt einst als Metropole der Schildermalerkunst und weist bis heute durch alte, erhaltene sowie neu gestaltete Schriftzüge im öffentlichen Raum eine charakteristische Ästhetik auf. Um einen Diskurs über urbane Typografie anzuregen und sich für die Erhaltung alter Stadtschriften einzusetzen, initiierten der Designer Tom Koch – Autor des Bildbands "Ghostletters Vienna. Spuren urbaner Identität" – und der Fotograf Achim Gauger die Sign Week Vienna. Bis zum 27. September sollen mit Ausstellungen, Workshops und Spaziergängen Wiens Stadtschrift-Erbe und die individuelle Typografie zelebriert werden. Das genaue Programm ist hier zu finden.

Donnerstagabend wurden im Schikaneder-Kino Wiens schönste Geschäftsportale prämiert. Eine Jury aus Designern und Wirtschaftstreibenden sichtete zuvor zahlreiche Einsendungen, die während der Sommermonate eingelangt waren, und ermittelte die insgesamt sechs Gewinner in den Kategorien "Umgang mit einem alten Geschäftsportal" und "Umsetzung eines neuen Portals". Die Begründungen der Jury finden sich jeweils unter den Fotos. Die Gewinner wurden mit jeweils 2.000 Euro von der Wirtschaftskammer Wien prämiert.

Platz 1 (altes Portal): Die Reinigungsfirma Wirl, von 1965 bis 1993 in der Heiligenstädter Straße 89 beheimatet, wirbt dort mit einem Bild auf der Gebäudefassade. Nach dem Umzug blieb es erhalten und wird laut der Jury von der Firma bis heute gepflegt.

Stephan Doleschal

Die Stadt Wien hatte es sich in der Nachkriegszeit zur Aufgabe gemacht, heißt es in der Begründung, Menschen bildende Kunst näherzubringen, indem an neuerrichteten Gemeindebauanlagen Sgraffiti, Reliefs, Hauszeichen oder Mosaike angebracht wurden. "Kunst am Bau" wird das genannt. Das Ensemble der Firma Wirl sei eines der wenigen kommerziellen Beispiele dieser typischen Wiener Fassadengestaltung und durch eine anstehende Thermosanierung bedroht.

Stephan Doleschal

Platz 2 (altes Portal): Das Unternehmen Wäscheflott in der Augustinerstraße in der Wiener City, das Nachtwäsche und Berufsbekleidung nach Maß fertigt, erachtete die Jury als gutes Beispiel für einen "visuell behutsamen und dennoch modern in Szene gesetzten Generationenwechsel".

Martin Frey, Typejockeys

Der Traditionsbetrieb besteht seit 1948. 2012 wurde er in dritter Generation übernommen und redesignt.

Martin Frey, Typejockeys

Platz 3 (altes Portal): Beim Café Z in der Meiselstraße im 15. Bezirk lobte die Jury, dass "eine originelle Idee auch ohne großen finanziellen Aufwand ein stimmiges Resultat ergeben kann". Bei der Neuübernahme der Konditorei wurden die seitlichen Buchstabenreihen mit dem ehemaligen Namen entfernt. Nur das Wort "Café" in der für Wien typischen Schreibschrift blieb stehen und wurde durch ein "dezentes" Neon-Z ergänzt.

Achim Gauger, Tom Koch

Die verbliebenen Buchstaben wurden im Inneren des Cafés zu neuen Worten umgruppiert.

Achim Gauger, Tom Koch

Platz 1 (neues Portal): Die ursprüngliche Glasplatte des Papierfachgeschäfts am Hohen Markt war beschädigt und musste durch ein neues Design ersetzt werden. Das neue Glas wurde mit denselben traditionellen Techniken der Hinterglasmalerei und -vergoldung, mit Pinsel, Emaillefarben und hochkarätigem Blattgold von Hand hergestellt.

Achim Gauger

Besonders lobte die Jury den hohen Qualitätsanspruch: Eine Schildermalerin aus Berlin (Elena Albertoni, La Letteria) sei eigens mit der Umsetzung beauftragt worden. Logo, Schriftzug und Illustrationen seien "originale Kreationen", also nicht vorgefertigt. Das Geschäftsportal erfülle somit "alle Charakteristika alter Schildermalerkunst".

Achim Gauger

Platz 2 (neues Portal): Der "Brot Automat" der Bäckerei Felzl überzeugte die Jury "durch das Zusammenspiel zwischen dem unkonventionellen Verkaufskonzept, 'altes' frisches Brot nach Geschäftsschluss im Automaten zu verkaufen, und der 'rotzigen' Umsetzung an der Ecke Bernardgasse, Schottenfeldgasse" in Wien-Neubau.

Achim Gauger

Insgesamt ergebe sich ein "stimmiger, urbaner Eindruck". Die Ecke bringe "ein wenig Brick Lane oder Berlin nach Wien".

Achim Gauger

Platz 3 (neues Portal): Die Rund Bar in der Lindengasse, ebenfalls in Wien-Neubau, hinterlasse mit verschiedenen Stilelementen und Details einen stimmigen Gesamteindruck. Die Mischung aus alten Schriftzügen (zuvor befand sich dort ein altes Papiergeschäft) und einem neuen Neon-Schriftzug im "sehr angesagten Script-Stil" gebe dem Lokal eine "Identität zwischen 'Retro' und 'Chic'". (cmi, 22.9.2017)

Tom Koch