Mandla Reuters "Hold" (2017) erzeugt durch die Kombination von gelbem Monofrequenzlicht und Tageslicht-Neonröhren ein Gefühl von Dämmerung, das zugleich Lichtquelle der Ausstellung ist.

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Das Wetter ist ein dehnbarer, aufwendiger und zerbrechlicher Trapezakt, eine abstrakte und intakte Übertragung in eine Zukunft, die jetzt schon ist", schreibt die kanadische Dichterin Lisa Roberts. Ihre poetische Einschätzung nimmt sich nun die Ausstellung The Forecast in der Wiener Galerie Croy Nielsen zur Prämisse. Den acht im Rahmen des Galerienfestivals curated by präsentierten Positionen stellte Laura McLean-Ferris – Kuratorin am New Yorker Swiss Institute – Roberts' Gedicht The Weather programmatisch voran.

Das Wetter ist natürlich viel mehr als das, was vor dem Fenster passiert: Es muss mitunter als Metapher herhalten für politische Entwicklungen, gesellschaftliche Verhältnisse, aber auch romantische Beziehungen. Wie ein Text müsse das Klima gelesen, aufgezeichnet und sogar vorhergesagt werden, sagt die Kuratorin, die früher selbst Autorin war.

Der Bogen zum Jahresthema "image/reads/text" ist also geschickt gespannt: Es ist die Sprache, die ein bestimmtes Klima erzeugt und hier als Kommunikationsmittel untersucht wird, das soziale Räume eröffnet. Und obwohl das Wetter ganz buchstäblich in vielen der Arbeiten auftaucht, muss es diese nie als platte Metapher mit Sinn befüllen.

Die vier digitalen Collagen von Rachel Roses Failing at the 4th Dimension (2017) etwa könnten als Darstellungen der Jahreszeiten gelesen werden. Vielmehr geht es jedoch um Fragen der Aufzeichnung und um den Wert der mittelalterlichen Buchmalerei, aus der die Collagen gebaut sind.

Licht als Ausstellungsobjekt

Irena Haiduks Performerinnen beklagen in der 2017 gestarteten Oration of Yugoexport In-corporation Documents den Verlust der mündlichen Überlieferung, die sie im Kunstprojekt Yugoexport – frisch importiert von der Documenta – wiederaufleben lässt.

Neben den einzelnen Arbeiten, die gelungen ineinandergreifen, wird auch das Wetter selbst in die Galerie geholt. Auf künstliche Lichtquellen verzichtet Kuratorin McLean-Ferris, lediglich Rosa Aiellos Videoarbeit 27 seasons (2017) und Mandla Reuters Lichtinstallation Hold (2017) spenden Licht, das – je nach Tageszeit – genügen muss, um die textlastigeren Exponate zu entziffern.

Reuter erzeugt ein Licht ähnlich der Abenddämmerung, indem er gelbes Monofrequenzlicht neben Tageslicht-Neonröhren montierte. Je nach Lichteinfall und Wetterlage erfahren Besucher die Raumsituation unterschiedlich, wodurch das Licht selbst zum Ausstellungsstück wird.

Bereits in früheren Arbeiten griff der Berliner Künstler durch konkrete Lichtsituationen in Ausstellungsräume ein, auch fotografisch setzte er sich vielfach mit der Lichtstimmung von Sonnenuntergängen auseinander.

Wenngleich die in der Galerie herrschende Dämmerung rund um Reuters Arbeit nicht gerade Postkartenstimmung verbreitet – das gelbe Monofrequenzlicht schluckt alle anderen Farben -, so bringt sie den Betrachter dazu, die eigenen Sehgewohnheiten zu reflektieren. Man kann sie natürlich auch als Metapher für politischen Umbruch deuten, als Anbruch der Nacht. So eindimensional, dass man das müsste, ist die Arbeit aber glücklicherweise nicht. (Kathrin Heinrich, 25.9.2017)