Am Pierre-Auger-Observatorium im Westen Argentiniens gelang der Nachweis, dass uns ultrahochenergetische Teilchen aus fernen Galaxien erreichen.

Foto: Pierre Auger Observatory

Wuppertal – In den 1960er-Jahren haben Astrophysiker erstmals kosmische Teilchen mit Energien von mehreren Joule nachgewiesen. Woher diese Partikelstrahlung mit solch enormen Energien stammt, war bisher umstritten. Die große Frage war, ob diese Teilchen aus unserer Milchstraße stammen oder von entfernten extragalaktischen Objekten zu uns gelangen.

Dieses rund 50 Jahre alte Rätsel wurde nun durch die Beobachtung kosmischer Teilchen einer mittleren Energie von zwei Joule gelöst, die mit dem größten jemals gebauten Observatorium für kosmische Strahlung, dem Pierre-Auger-Observatorium in Argentinien, registriert wurden. Bei diesen Energien ist die Rate ankommender Teilchen von einer Seite des Himmels etwa sechs Prozent erhöht und aus entgegengesetzter Richtung entsprechend erniedrigt, wobei der Überschuss 120 Grad vom galaktischen Zentrum entfernt liegt.

Von jenseits der Milchstraße

Karl-Heinz Kampert, Experimentalphysiker an der Bergischen Universität Wuppertal und Sprecher der Auger-Kollaboration von über 400 Wissenschaftern aus 18 Ländern, sieht das Ergebnis als großen Erfolg: "Wir sind dem Rätsel, wo und wie diese außergewöhnlichen kleinsten Materieteilchen entstehen, nun wesentlich näher gekommen. Unsere Beobachtung zeigt, dass die Orte der Beschleunigung außerhalb der Milchstraße liegen."

Die kosmische Strahlung besteht aus Atomkernen der bekannten chemischen Elemente von Wasserstoff (dem Proton) bis hin zu Eisen. Oberhalb von zwei Joule beträgt die Ankunftsrate dieser Teilchen am oberen Rand der Erdatmosphäre nur etwa ein Teilchen pro Quadratkilometer pro Jahr. Oder anders gesagt: Pro Jahrhundert kommt auf die Fläche eines Fußballfeldes ein Teilchen. Derart seltene Teilchen sind nur nachweisbar, weil sie durch sukzessive Wechselwirkungen mit den Atomkernen in der Erdatmosphäre Teilchenkaskaden von Elektronen, Photonen und Myonen erzeugen.

Diese Teilchenschauer bestehen aus mehr als zehn Milliarden Teilchen und bewegen sich mit Lichtgeschwindigkeit in einer scheibenförmigen Struktur, ähnlich einem Teller mit mehreren Kilometern Durchmesser, durch die Atmosphäre. Ihr Nachweis geschieht am Pierre-Auger-Observatorium durch das Cherenkov-Licht, das sie in einigen der 1.600 Detektoren, die mit jeweils zwölf Tonnen Wasser gefüllt sind, produzieren. Die Detektoren sind auf einer Fläche von 3.000 Quadratkilometer im Westen Argentiniens ausgebracht. Die mit GPS-Empfängern gemessenen Ankunftszeiten der Teilchen in den Detektoren erlauben es, die Ankunftsrichtungen der Ereignisse mit einer Genauigkeit von besser als einem Grad zu bestimmen.

Genaue Quelle bleibt rätselhaft

Durch die Untersuchung der Verteilung der Ankunftsrichtungen von mehr als 30.000 kosmischen Teilchen fanden die Wissenschafter laut ihrer Arbeit im Fachjournal "Science" eine signifikante Überhöhung aus einer Richtung, in der die Anzahl an Galaxien höher ist als in anderen Richtungen. Obwohl diese Entdeckung eindeutig den extragalaktischen Ursprung der Teilchen belegt, sind die eigentlichen Quellen noch immer nicht gefunden, da selbst solch energetische Teilchen auf ihrem Weg im Magnetfeld unserer Galaxie um einige 10 Grad abgelenkt werden. Keine realistische Konfiguration des galaktischen Magnetfeldes ist jedoch in der Lage, die beobachtete Richtung mit möglichen Quellen in der galaktischen Ebene oder im Zentrum unserer Galaxis zu assoziieren.

Um die Quellen selbst zu finden, sollen zukünftig noch höherenergetische Teilchen als in dieser Studie verwendet werden. Kosmische Magnetfelder lenken diese Teilchen weniger stark ab, sodass ihre Ankunftsrichtungen noch näher an ihren Entstehungsorten liegen sollten. Allerdings ist auch die Ankunftsrate dieser Teilchen noch geringer, sodass weitere Ereignisse gesammelt werden sollen.

Mit einer derzeit durchgeführten Erweiterung des Pierre-Auger-Observatoriums wird es zusätzlich ab Ende 2018 auch möglich sein, die Art der Teilchen (von Protonen bis hin zu Eisen) zu bestimmen. Dies wird eine entscheidende Hilfe bei der Suche nach den Quellen der höchstenergetischen Teilchen des Universums sein. (red, 23.9.2017)