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Der Baukonzern Strabag plante, sich über seine Tochtergesellschaft Austria Asphalt mit 50 Prozent an einer Asphaltmischanlage der Porr im steirischen Mürzzuschlag zu beteiligen – ein Fall für die nationale Kartellbehörde.

Foto: Reuters / Heinz-Peter Bader

Wien – Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs nach einer Vorlage aus Österreich hat weitreichende Bedeutung für Unternehmenszusammenschlüsse in der gesamten EU. Ursprung des Vorabentscheidungsverfahrens zur EU-Fusionskontrollverordnung (FKVO) war das Vorhaben des Baukonzerns Strabag, sich über ihre Tochtergesellschaft Austria Asphalt mit 50 Prozent an einer Asphaltmischanlage der Porr im steirischen Mürzzuschlag zu beteiligen.

Die Anlage sollte als Joint Venture von beiden Konzernen gemeinsam kontrolliert werden, diese zum überwiegenden Teil beliefern und damit am Drittmarkt nicht wesentlich auftreten. Das Gemeinschaftsunternehmen würde demnach keine Vollfunktionsfähigkeit haben.

Zusammenschlussbegriff

Strabag meldete die Transaktion im August 2015 bei der österreichischen Bundeswettbewerbsbehörde an. Im anschließenden vertieften Prüfungsverfahren vor dem Kartellgericht erachtete sich dieses jedoch mit der Begründung für unzuständig, dass der Zusammenschluss in die Zuständigkeit der Europäischen Kommission fiele. Der Erwerb gemeinsamer Kontrolle an einem bestehenden Unternehmen sei, so das Kartellgericht, ein Zusammenschluss nach der FKVO, selbst wenn keine Vollfunktionsfähigkeit gegeben sei.

Im Rechtsmittelverfahren legte der OGH dem EuGH diese grundlegende Frage zur Auslegung vor. Denn in der Frage, wie der Zusammenschlussbegriff der FKVO genau ausgelegt werden soll, war die bisherige Praxis der Kommission uneinheitlich und bestand keine Rechtsprechung.

Das Urteil des EuGH (Rs C-248/16, Austria Asphalt gegen Bundeskartellanwalt) bringt Klarheit in diesem Punkt: Der Gerichtshof entschied, dass nur vollfunktionsfähige Gemeinschaftsunternehmen in den Anwendungsbereich der FKVO fallen. Der Erwerb gemeinsamer Kontrolle über Unternehmen, die nur unwesentlich am Drittmarkt auftreten – wie die Asphaltmischanlage –, brächte keine für die Anwendung der FKVO notwendige Veränderung der Marktstruktur.

Damit folgte der EuGH der von Strabag und der Generalanwältin vertretenen Rechtsansicht. Die Transaktion ist nicht bei der Kommission anzumelden, zuständig ist in diesem Fall die nationale Kartellbehörde.

Ersehnte Rechtssicherheit

Die Entscheidung war mit Spannung erwartet worden und bringt für viele ähnlich gelagerte Transaktionen – etwa bei gemeinsamen Produktionsunternehmen von Autozulieferern – die ersehnte Rechtssicherheit im Hinblick auf die (Nicht-)Anwendbarkeit der FKVO.

Der EuGH präzisierte mit diesem Urteil die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen nationalen Wettbewerbsbehörden und der Kommission – und bestätigte die bisherige Vorgangsweise bei der Anmeldung zahlreicher gleich gelagerter Fusionsfälle. (Bernhard Kofler-Senoner, Johannes Frank, Stefan Hirner, 25.9.2017)