Bern – Die umstrittene Rentenreform in der Schweiz ist in der Volksabstimmung knapp gescheitert. Rund 53 Prozent der Bevölkerung und die Mehrheit der Kantone stimmten gegen die vorgeschlagene Mischung aus Rentenkürzungen, Beitragserhöhungen und Kompensationen zugunsten der künftigen Rentner.

Das Nein ist ein Rückschlag für den sozialdemokratischen Innenminister Alain Berset und die Koalition der Reformbefürworter von Christdemokraten, Grünen und Gewerkschaften. In einer ersten Reaktion gab sich Berset enttäuscht. Es gehe nun darum, alle Akteure einzuladen, um zu sehen, wie das Resultat zu interpretieren sei und wie eine neue Lösung aussehen könnte. "Ich als Person bleibe hochmotiviert."

Finanzielle Schieflage

Sechs Jahre lang hatten Regierung und Parlament an einer möglichst ausgewogenen Reform der Altersvorsorge gearbeitet. Diese ist in finanzieller Schieflage – wegen der steigenden Lebenserwartung und weil die angesparten Vorsorgekapitalien zu wenig Rendite erwirtschaften. Die Reformvorlage umfasste unter anderem Rentenkürzungen, eine Erhöhung des Rentenalters für Frauen um ein Jahr sowie eine leichte Erhöhung der Lohnabzüge und der Mehrwertsteuer. Als Kompensation dafür war eine Erhöhung der monatlichen Altersrenten um 70 Franken (60 Euro) vorgesehen.

"Das Nein hat es viel einfacher als das Ja, wenn es um Renten geht. Die Verlustangst ist größer als die Bereitschaft zu einer Veränderung", kommentierte der Gewerkschaftschef Paul Rechsteiner, der sich im Parlament aktiv für den Rentenkompromiss engagiert hatte. In der Tat hatten viele der geplanten Maßnahmen ihre Gegner; in der Summe resultierte am Ende ein knappes Nein.

Kritik

Von links außen, von oppositionellen Gewerkschaftsgruppen und von den Jungsozialisten wurde die geplante Erhöhung des Frauenrentenalters kritisiert. So betonte die JUSO-Vorsitzende Tamara Funiciello, "das Nein zur Altersreform ist in erster Linie ein Nein der Frauen".

Aus dem Lager der konservativen Reformgegner sagte der Vorsitzende der Jungen Liberalen Andri Silberschmidt, nun müsse sofort eine Reform angepackt werden, "bei der nicht nur die Jungen die Zeche zahlen und bei der die Sicherheit gegeben ist, dass wir jemals eine Rente erhalten werden".

Doch wie eine solche Reform aussehen könnte, die mehrheitsfähig wäre, ist im Moment nicht absehbar. Klar ist bloß, dass die Zeit drängt, hat doch die Schweiz seit 20 Jahren keine Reform der Altersvorsorge mehr zustande gebracht. Vor dem Volk scheiterten sowohl reine Abbauvorlagen wie auch Pläne, die Altersversicherung AHV auszubauen. (Klaus Bonanomi aus Bern, 24.9.2017)