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Alexander Gauland am Wahlabend.

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Nummer eins, wieder einmal, zum vierten Mal in Folge. Angela Merkel wird wohl in ihre vierte Amtszeit gehen, aber es wird schwierig werden. Natürlich ist sie auf den ersten Blick Wahlsiegerin. Wie erwartet, bekam die Union die meisten Stimmen, der Abstand zur Nummer zwei, zu den Sozialdemokraten, beträgt mehr als eine Armlänge.

Es ist eine Leistung, beim vierten Mal ein solches Ergebnis zustande zu bringen. Doch es ist nicht zu übersehen: Auch Merkel und die Union wurden ziemlich kräftig gerupft. Da waren viele Rechnungen offen, die größte wohl in der Asylpolitik, sonst hätte die Alternative für Deutschland nicht so gut abschneiden und auf den dritten Platz gelangen können.

Seit Pegida im Oktober 2014 in Dresden mit Protestmärschen begann, war klar: Da gärt etwas in Deutschland. Das seien doch ohnehin lauter Neonazis, wiegelten viele ab, die nicht sehen wollten, was dann mit dem Aufstieg der AfD und ihrem Einzug in einen Landtag nach dem anderen immer offenkundiger wurde: Das Unbehagen und der Protest machten sich auch in der Mittelschicht breit.

Und der Frust und die Angst verschwanden nicht, als Merkel schon längst nicht mehr "Wir schaffen das" sagte, sondern begann, die Asylgesetze zu verschärfen. Jetzt hat Merkel die Quittung bekommen, und Franz Josef Strauß selig rotiert im Grab. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten wird eine Partei rechts der Union in den Bundestag einziehen.

Das Parlament wird es überleben. Ist in anderen Parlamenten Europas ja auch schon geschehen, könnte man sagen. Oder: Deutschland ist ohnehin bemerkenswert lange ohne eine rechte Gruppierung im Bundestag davongekommen.

Doch wenn man hört, was viele dieser AfD-Leute von sich geben, mit welcher Selbstverständlichkeit von "ausmisten", von Ausgrenzung und von "Schluss mit dem Schuldkult" die Rede ist, wird einem übel. Man darf niemals vergessen. Das alles passiert in jenem Land, von dem der Naziterror einst ausging. Nun sitzen diese Volksvertreter im Bundestag, dem Herzstück der Demokratie, und werden dort ihre Reden halten.

Wer jetzt noch glaubt, er könne weitermachen wie bisher, dem ist nicht mehr zu helfen. Das gilt für alle Parteien, insbesondere aber für Merkel und Martin Schulz, falls er denn an Bord bleibt nach diesem Desaster. Beide haben im Wahlkampf nicht hingesehen oder das Ausmaß des Frustes nicht begriffen.

Merkel war hauptsächlich damit beschäftigt, von einem Land zu reden, "in dem wir gut und gerne leben" und die wirtschaftlichen Erfolge aufzuzählen. Schulz machte es sich einfach und nannte die AfD pauschal "eine Schande für Deutschland" – als würde Verunglimpfung das Problem lösen.

Die Regierungsbildung wird nicht einfach werden nach diesem Wahlsonntag, der Bundestag ist sehr bunt geworden. Neben all den großen Fragen der Zukunft (Rente, Bildung, Digitalisierung, Investitionen in die Infrastruktur) wird es nach dieser Wahl um noch etwas Wichtiges gehen: Wie kann man im reichen Deutschland diesen vielen Frustrierten und Ängstlichen eine Perspektive geben und sie zurückgewinnen? Und zwar in einer Art und Weise, dass man sich nicht dauerhaft an die AfD gewöhnen muss, weil sie eben nur eine Legislaturperiode im Bundestag sitzt und dann bei der nächsten Wahl nicht wieder hineinkommt. (Birgit Baumann, 24.9.2017)