Schimmelkäse aus Europa wird in Chinas Geschäften knapp.

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Bekanntlich mögen Chinesen keinen Käse. Doch das ist anders, seit ein weltoffenes China dank seiner Auslandsreisenden und zurückgekehrten Studenten auf den Geschmack gekommen ist. 2016 importierte China nach Angaben des Zolls 97.200 Tonnen Käse. Das waren um 29 Prozent mehr als im Vorjahr, oder zweieinhalbmal so viel wie vor fünf Jahren. Der Aufholkonsum setzte sich von Jänner bis Mai fort auf 46.400 Tonnen Käseimporte. Während Neuseeland und Australien bei den Importen punkten, rutschten Europas Käsehersteller auf zwölf Prozent ab.

Das hat weniger mit der Güte ihres Käses als mit Chinas Bürokratie zu tun. Seit Monaten stehen Weich- und Schimmelkäse, die aus EU-Staaten geliefert werden, auf der schwarzen Liste der Behörden. Anfang September stellten die Pekinger und Schanghaier Zoll- und Quarantänebehörden (CIQ) diese Käsesorten unter temporäres Einfuhrverbot. Betroffen sind fast 50 Sorten vom Gorgonzola, Roquefort bis zum Camembert. Grund sind ihre nicht in China zertifizierten Kulturen, die zur Produktion verwendet werden. In Pekings Feinkostgeschäften gehen die Vorräte an europäischen Weichkäsen schon zur Neige.

Tücken im System

Der absurde Fall ist ein Musterbeispiel für die zahllosen Tücken, die im chinesischen Markt auf Auslandsunternehmen lauern. In dem "Positionspapier der EU-Wirtschaft in China 2017/2018" schildert die Arbeitsgruppe Käseindustrie ihre unerwarteten Probleme mit den Aufsichtsbehörden. "Hunderte Jahre wurde mit den Kulturen Käse in Europa produziert. Seit dutzenden Jahren wird er in China eingeführt. Es gab nie Probleme", sagte Kammerpräsident Mats Harborn bei der Vorstellung des EU-Jahresberichts.

In Papierform wiegt der Bericht mehr als ein Kilo. Die 795 Empfehlungen sind kaschierte Beschwerden der Kammermitglieder über Marktzugangsprobleme. Der europäische Clinch mit den Behörden um den Schimmelkäse ist eines davon. Seit Jahren klagen Pekings Auslandshandelskammern von den USA bis zur EU, dass China große Reformen ankündigt, denen aber wenig folgt. "Der Grund, warum wir so frustriert sind, ist, dass wir hier nicht von Versprechungen leben können. Wie leben von Geschäften", sagte Harborn.

Investitionen gehen zurück

Diese zu machen wird schwieriger. Das hat Folgen. Während die Investitionen chinesischer Konzerne in Europa 2016 um 77 Prozent auf über 40 Milliarden US-Dollar stiegen, fielen Europas Investitionen in China auf acht Milliarden Dollar. Es war ein Einbruch um 23 Prozent. Im ersten Halbjahr 2017 gingen sie um weitere 23 Prozent auf 3,7 Milliarden Dollar zurück.

Wie stark China an Attraktivität einbüßt, macht auch der Vergleich mit den USA deutlich. Laut Positionspapier investierten 2016 EU-Unternehmen 277 Milliarden Dollar in US-Projekte. Das war fast doppelt so viel wie die 141 Milliarden Dollar, die europäische Firmen zwischen 2000 bis 2016 insgesamt in China investierten. Chinesische Unternehmen legten in dieser Zeit 110 Milliarden Euro in Europa an.

Besserung wird gelobt

Doch derzeit wird Chinas Geldhahn auch von Peking wieder zugedreht. Von Jänner bis Juni reduzierten sich die Investitionen in Europa um fünf Prozent auf 10,4 Milliarden Dollar. Der Grund lag nicht an der mangelnden Attraktivität Europas. Pekings Regierung hatte seinen Konzernen aus Angst vor Kapitalflucht den Aufkauf von Imageprojekten wie Fußballklubs und Luxusimmobilien verboten. Im weltweiten Maßstab fielen Chinas Investitionen bis August sogar um 41,8 Prozent auf 68, 7 Milliarden Dollar. Immobilienkäufe brachen um rund 80 Prozent ein.

Chinas Führung blieb der Frust des Auslandes über seinen Reformstau nicht verborgen. Seit heuer wirbt die Regierung um Vertrauen. Im Jänner bekannte sich Staatschef Xi Jinping in Davos zum weltweiten Freihandel und zu Liberalisierungen. In Peking erschien zugleich das Staatsratsdokument Nummer fünf mit 20 Versprechen, China für ausländische Investoren zu öffnen.

Das EU-Papier vergleicht diese Verheißungen mit der Realität. Laut dem Dokument hätte auch die gebeutelte europäische Käseindustrie das Recht gehabt, an der Diskussion über die neue Standardisierung teilzunehmen. Das geschah nicht. Nun versuchen sie, den Dialog doch noch zu führen, damit der Camembert wieder nach Peking kommen darf. (Johnny Erling aus Peking, 25.9.2017)