Ein Bild aus der TV-Elefantenrunde am Abend im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zeigt Lindner im Vordergrund, Merkel im Hintergrund.

AFP PHOTO / POOL / Gero Breloer

Die drei Spitzenkandidaten der Parteien einer möglichen "Jamaika"-Koalition Angela Merkel (CDU), Christian Lindner (FDP) und Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Grüne).

Foto: APA/Ralf Hirschberger / Reuters / APA/Odd Anderson

Berlin – Wenn es um ein Jamaika-Bündnis ging, war vor der Wahl und auch am Wahlabend bei Grünen und FDP viel Skepsis zu hören. Denn programmatisch liegen zwischen beiden Parteien Welten. Doch nach der Absage der SPD an eine Neuauflage der großen Koalition rückt das mögliche Bündnis aus Union, Liberalen und Grünen in greifbare Nähe. Es ist rechnerisch die einzige andere Variante, eine Mehrheit im Bundestag zu bilden.

Ein Dreierbündnis aus Union, FDP und Grünen ("Jamaika"-Koalition genannt) als künftige deutsche Regierung birgt nach Einschätzung von Bankvolkswirten Chancen und auch auch Risiken. "Dreierbündnisse sind schwierig zu bilden und nicht selten instabil", kommentierte etwa Thomas Gitzel, Chefökonom der Liechtensteiner VP Bank, am Montag. An den Finanzmärkten könnte es nach seiner Einschätzung "zur Furcht eines politisch nicht mehr ganz so stabilen Deutschlands kommen".

In wichtigen Punkten gehen die Positionen der FDP und den Grünen auseinander. Hier die wichtigsten Knackpunkte:

Klimaschutz

Während die Grünen einen Ausstieg aus der Kohle und das Aus für Neuwagen mit Verbrennungsmotoren im Jahr 2030 fordern, halten die Liberalen fossile Energieträger "auf absehbare Zeit" für nicht verzichtbar. Die Grünen treten für einen Komplettumstieg auf erneuerbare Energien ebenfalls bis 2030 ein.

Für die FDP sind die erneuerbaren Energien hingegen lediglich "ein wichtiges Element im Energiemix der Zukunft". Die Position der CDU/CSU liegt dazwischen: Sie will zwar die erneuerbaren Energien ausbauen, von einem Ende der fossilen Energieträger ist bei der Union aber nicht die Rede.

Flüchtlinge

Die Grünen sind für Flüchtlingskontingente und humanitäre Visa, die eine sichere Flucht ermöglichen sollen. Zudem wollen sie den ausgesetzten Familiennachzug bei Flüchtlingen mit subsidiärem Schutz wieder ermöglichen. Demgegenüber tritt die FDP dafür ein, Kriegsflüchtlingen lediglich einen "vorübergehenden humanitären Schutz" zu geben, "der auf die Dauer des Kriegs begrenzt ist".

Auch die Union tritt für eine eher härtere Gangart ein: "Eine Situation wie im Jahr 2015 soll und darf sich nicht wiederholen", heißt es im gemeinsamen Wahlprogramm von CDU und CSU mit Blick auf den damaligen starken Zuzug von Flüchtlingen. Die CSU pocht überdies auf eine Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen pro Jahr.

Innere Sicherheit

Hier gibt es Parallelen zwischen FDP und Grünen: Die Liberalen treten für eine "Reform der Sicherheitsarchitektur" ein, weil zu viele Behörden für Sicherheit zuständig seien. Die Grünen fordern einen "Neustart" beim Verfassungsschutz. Er soll durch ein personell völlig neues Bundesamt zur Gefahren- und Spionageabwehr ersetzt werden.

Die Union setzt hingegen andere Akzente: Sie beklagt unterschiedliche Sicherheitsstandards in den Bundesländern. Um dies zu beheben, schlägt sie ein sogenanntes Musterpolizeigesetz vor, das die 16 Ländergesetze ablösen soll.

Steuern

Hier zeigen sich wiederum tiefe Gräben zwischen Liberalen und Grünen: Während die FDP auf erwartete Steuereinnahmen von 30 Milliarden Euro verzichten will, treten die Grünen für Erleichterungen lediglich bei Geringverdienern ein. Dafür soll der Grundfreibetrag angehoben werden, aber auch der Spitzensteuersatz für das Einkommen von Alleinstehenden ab 100.000 Euro. Die Union strebt eine Entlastung für alle mit einem Volumen bei der Einkommensteuer von 15 Milliarden Euro an.

Soziales

Die Grünen treten für eine Bürgerversicherung bei Pensionen und Gesundheit ein, in die etwa auch Selbstständige einzahlen. Dies würde in letzter Konsequenz auf das Ende des Nebeneinanders von gesetzlicher und privater Krankenversicherung hinauslaufen.

Die FDP marschiert genau in die entgegengesetzte Richtung. Sie kritisiert die Bürgerversicherung als "staatliche Zwangskasse" und will das Nebeneinander von gesetzlicher und privater Versicherung beibehalten. Auch die Union stellt das bisherige System nicht infrage – bei der Gesundheit ebenso wie bei den Pensionen.

Außenpolitik

Unterschiede gibt es vor allem zwischen Grünen und Union beim Nato-Ziel, zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) für die Verteidigung auszugeben: So klar sich CDU und CSU dazu bekennen, so klar lehnen es die Grünen ab. Hier vertritt die FDP eine mittlere Position: Sie verlangt eine Vernetzung der Außen-, Verteidigungs- und Entwicklungspolitik – und will, dass Deutschland langfristig drei Prozent seines BIPs in internationale Sicherheit investiert. (APA, 25.9.2017)