Dass Fernsehserien nicht nur ein einziger großer Spaß sein müssen, erfahren derzeit die Leute rund um "Narcos". Nachdem der Bruder Pablo Escobars Netflix relativ unverhohlen drohte, erscheint eine vierte Staffel zunehmend unwahrscheinlich. Roberto de Jesús Escobar Gaviria fordert vom Streamingdienst die läppische Summe von einer Milliarde Euro, weil Netflix seiner Meinung nach die Lebensgeschichte des Drogenkönigs unerlaubt verfilmt und den Namen Escobar widerrechtlich genutzt hat. Zudem wurde ein Location-Manager, der für Netflix in Mexiko unterwegs war, in seinem Wagen beschossen und getötet. Die Warnung des Bruders davor, in Kolumbien zu drehen ("Es ist sehr gefährlich", sagt de Jesús Escobar Gaviria, "ganz besonders ohne unseren Segen. Es ist mein Land"), zeigt Wirkung: Pedro Pascal, der den DEA-Agenten Javier Pena spielt, sagte, die Show könne nicht weitergehen, wenn es keine ausreichenden Möglichkeiten gebe, Cast und Crew zu schützen. Sage noch einer, Kolumbien habe seine Vergangenheit hinter sich gelassen.

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Doch nun zum Kernauftrag, kommenden Höhepunkten aus dem Paralleluniversum.

Zuvor noch die SPOILERWARNUNG: Wer auch selbst kleinste Hinweis auf Inhalte nicht verträgt, möge den Fließtext überspringen und sich auf das FETTGEDRUCKTE beschränken. Ansonsten:

Freitag, 6. Oktober: "Suburra", Netflix
Erfahrungsgemäß entscheidet sich in den ersten 15 Minuten einer Serie, ob sich ZuschauerInnen vom Dargebotenen gefesselt fühlen und "dranbleiben", oder ob sie das gute Stück in den Orbit entlassen. Im Fall von "Suburra" will man diesbezüglich scheinbar nichts dem Zufall überlassen, die erste italienische Netflix-Originalserie kommt nämlich in Rekordzeit zur Sache. Keine zwei Minuten ist "Suburra" alt, da tobt schon der erste Gruppensex, involviert ist ein Kirchenmann, der sich vom fordernden Dienst an Gott und Kirche Auszeit nimmt und von dort nicht wieder zurückkehren wird.

Auch die daran anschließenden Szenen sind geschaffen, um die Zahl an Zuschauern mit Aufmerksamkeitsdefiziten so gering wie möglich zu halten: Nach dem wilden Treiben fließt das Blut, erst von Menschen, dann vom Schaf, dazu kommen Mutproben, Erpressung, finstere Gestalten – das ganze Register.

Mannigfache Begierden

Der Begierden sind mannigfach, konkret geht es um ein Gebiet am Lido von Ostia. Dieser schöne Streifen Land ist symbolbehaftet – am Stadtstrand Roms wurde 1975 der Regisseur Pier Paolo Pasolini ermordet.

In der Serie ist ein Teil davon im Besitz der Kirche, die ihn zu verkaufen beabsichtigt. Hierfür gibt es einige Interessenten. Ganz vorne hat sich Sara Monaschi (Claudia Gerini) angestellt, sie verhandelt für ihren Gatten, den Bürgermeister, der sich zur Ruhe setzt und den Abschnitt unbedingt haben will, last but not least der merkwürdige "Samurai" (Francesco Acquaroli) höchstselbst, weil er einen Hafen anlegen will, von dem aus ganz Italien mit Drogen geflutet werden soll.

Dagegen hat wiederum der befeindete Clan, die prolligen "Gypsies", etwas, der vordergründig ehrenwerte Stadtrat Amedo Cinaglia (Filippo Nigro) hegt ebenso Eigeninteresse wie einige andere mehr. Vor diesem Hintergrund kochen die drei jungen Männer Aureliano (Alessandro Borghi), Lele (Eduardo Valdarnini) und Spadino (Giacomo Ferrara) ihr eigenes Süppchen, die Herzattacke des Würdenträgers im überfüllten Plüschsalon kommt ihnen gerade recht, ein schlauer Plan, doch die Umsetzung verläuft naturgemäß nicht ganz so glatt wie geplant.

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Die Geschichte folgt dem gleichnamigen Buch von Giancarlo de Cataldo und Carlo Bonini. Dieses hat bereits 2015 Stefano Sollima verfilmt, Regisseur unter anderem von "Romanzo Criminale" und "Gomorrha".

Folgen der Serie "Suburra" hat Michele Placido inszeniert, eine Legende unter den Fernseh-Mafiajägern. Placido fegte 1984 mit der Serie "Allein gegen die Mafia" die Straßen leer. In vier von zehn (!) Staffeln spielte er den Corrado Cattani, so schön und so grundgut, dass nicht nur Mütter und Töchter hingerissen waren, auch manch gestrenger Familienvater fühlte sich zu so viel Heldenmut seltsam hingezogen, der schließlich auf tragische Weise kapitulieren musste. Hintergrund war, dass Placido nicht mehr wollte, weil er den ewigen Stempel des Mafiajägers fürchtete. Es war aber ohnehin zu spät, Placido gehört zu "Allein gegen die Mafia" auf immer und ewig.

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Ein Mafiajäger und ein Straßenfeger: Michele Placido spielte in den 1980er-Jahren in der Serie "Allein gegen die Mafia", hier in einer Aufnahme aus dem Jahr 2015.
Foto: APA/EPA/ETTORE FERRARI

Mit "Suburra" kehrt Placido nun zum Thema Mafia zurück. Netflix produziert mit der öffentlich-rechtlichen Rai, beim Auftritt in London beteuerte das gesamte Team, dass es keine Drohungen vonseiten der Mafia gegeben habe. "Suburra" ist nicht "Gomorrha" und keinesfalls "Narcos", aber es entwickelt in seiner erzählerischen Schärfe und Konzentriertheit eine eigene Eindringlichkeit. Die teilweise sehr saftigen Szenen hätte es gar nicht gebraucht.

Besonders lobend zu erwähnen ist, dass Netflix wie bei "Narcos" auf Originalton setzt und untertitelt. Benissimo!

Freitag, 6. Oktober: "Countdown Copenhagen", 23.15 Uhr, ZDF Neo
Eine U-Bahn wird gekidnappt, die Entführer verlangen Lösegeld. Die Polizei setzt eine Taskforce ein, die von Philipp Nørgaard geleitet wird. Philipp (Johannes Lassen) hat den (Irak?-)Krieg hinter sich, in dem er gefoltert wurde.

Zusammen mit seiner Kollegin, der Polizeipsychologin Louise Falck (Sara Hjort Ditlevsen), soll er die Geiseln befreien. Die beiden haben eine Affäre, und die Tatsache, dass Philipp an den Kriegsfolgen leidet, macht die Sache nicht einfacher. Eine Folge umfasst einen Tag in dieser selbst für skandinavische Verhältnisse sehr düsteren Krimiserie von Kasper Barfoed, in der auch wir Zuschauer nur selten Tageslicht, dafür aber allerlei Grobheiten sehen.

Exekutive und Medien kommen einander in die Quere, das Einfließenlassen von politischen Aspekten ist im Norden geübte Praktik, vieles kommt einem da bekannt vor. Ich persönlich hadere mit einem dramaturgischen Detail, denn es will mir einfach nicht in den Kopf, wieso man nach zwei Folgen eine große Befreiungsaktion inszeniert, von der von vornherein klar ist, dass sie nicht gelingen kann, weil ja noch sechs Folgen ausständig sind. Aber was weiß ich schon. ZDF Neo zeigt acht Folgen täglich jeweils um 23.15 Uhr.

KinoCheck Home

Samstag, 7. Oktober: "Sanft schläft der Tod", 20.15 Uhr, ARD
Noch eine Entführung, dieses Mal erwischt es den sechsjährigen Finn und die elfjährige Leila beim Segelurlaub auf Rügen. Im Hafen des Ostseebades Binz verschwinden die Kinder spurlos, auch hier spielt die Vergangenheit eine Rolle. Matthias Brandt hisst die Segel, Manfred Zapatka lichtet die Anker. Fabian Busch und Marleen Lohse fürchten sich, so gut es geht, begleitet von Unkles und Ian Astburys "When Things Explode".

FilmfestHamburg

Dienstag, 10. Oktober: "Sylvia's Cats", 21.45 Uhr, ZDF Neo
Noch einmal Norden, dieses Mal Belgien, und es scheint sogar die Sonne. Wenigstens dazwischen, denn die Welt, in der sich die gutbürgerliche Sylvia Carlier (Tiny Bertels) nach dem Ende ihrer Ehe zurechtfinden muss, ist zwielichtig. Der Verputz des coolen Architektenhauses ist noch nicht einmal trocken, als ihr Gatte und Ehemann, der Gynäkologe Daniel (Günther Lesage), wegen des Verdachts auf sexuellen Missbrauch verhaftet wird. Vorerst bleibt also die Küche kalt. Wohin aber mit zwei nörgelnden Kindern? Rein zufällig gibt es da eine Erbschaft des Vaters, eine Bar, na ja, eine Bar mit Damen, aber das geht doch nicht! Als schließlich den die Geschäfte führenden Onkel der Herzkasper packt, steht Sylvia plötzlich da mit ihren "Katzen". Die erweisen sich in der Folge als mindestens ebenso taff und kratzig wie Sylvia selbst, was sich als nützlich herausstellt, denn als ob das nicht ohnehin schon fordernd genug wäre, kommt in dieser zehnteiligen Serie von Jan Pepermans und Stefanie Vanhecke (Drehbuch) sowie Pieter Van Hees und Frank Devos ein Mordkomplott hinzu, und insgesamt ist das dann doch etwas viel des Guten. Das mag zusätzlich an den holzigen Dialogen liegen, vermutlich eine Folge der Synchronisation. Wie so oft hat man besonders bei Filmen aus dem Norden das Gefühl, bei der Synchronisation sind nicht wirklich Könner am Übersetzungswerk.

Foto: ZDF/Kris Dewitte

Mittwoch, 11. Oktober: "Colony", 20.15 Uhr, TNT Serie
Auch nicht alles eitel Wonne ist bei den Bowmans in Los Angeles. Das macht sich gar nicht so sehr am Stacheldraht bemerkbar, der sich um das Heim der Kleinfamilie rankt. Schließlich erscheint nicht erst Donald Trump die Mauer als adäquates Mittel zum Schutz von Hab und Gut, in Kalifornien gehört das Sicheinkasteln bekanntlich schon des Längeren zum guten Ton. Dass auf der Straße aber der Panzer kreuzt, stimmt nachdenklich, und als sich Familienvorstand Will (Josh Holloway) in der Eiskiste über die Grenze bringen lässt, sind alle Zweifel ausgeräumt: Hier ist etwas grob faul. Außerirdische haben die Macht übernommen und ein Horrorregime errichtet.

Will sucht seinen Sohn, dabei begegnet ihm der erzböse Proxy Snyder (Peter Jacobson), es wird ein hartes Match. Von Anfang an setzt dieses Serienstück auf comichafte Spannungseffekte und hält sich nicht lang mit Figurenzeichnung auf. "Colony" wurde von Carlton Cuse entwickelt, den Serienfreunde von "Lost" und "Bates Motel" kennen, ebenso von Ryan Condal ("Hercules"), die auch als Executive Producer fungieren. Dass der Erzbösewicht ganz offensichtlich jüdischer Herkunft ist und in Folge zwei Menschen in Gaskammern gehen, gehört zu den Geschmacklosigkeiten, die diese Serie eigentlich unpackbar blöd machen. Zehn Folgen zunächst, eine dritte Staffel ist bereits im Werden.

moviemaniacsDE

Trailer der Woche ist dieses Mal ein Stück Musik, aus gegebenem Anlass die Titelmelodie von Ennio Morricone zu "Allein gegen die Mafia". Wer da keine Gänsehaut kriegt ...

Alamo YTC Germany

In diesem Sinne: schöne Woche, frohes Schauen! (Doris Priesching, 5.10.2017)