Legt sich mit der Gratiszeitung "Österreich" an: SPÖ-Chef Christian Kern.

Foto: APA / Pfarrhofer

Wien– Bundeskanzler und SPÖ-Chef Christian Kern will an bei seinem Interview- und Wahlkampfinserate-Boykott gegenüber der Tageszeitung "Österreich" festhalten – obwohl er selbst mit Nachteilen rechnet. Ja, der von ihm verkündete Schritt könnte die Debatte über jene wenig schmeichelhafte Einschätzung eines ehemaligen SPÖ-Mitarbeiters, der Kern unter anderem ein "Glaskinn" attestiert hatte, noch befeuern, sagte der Kanzler bei einem Pressetermin am Dienstag: "Das wird es wohl werden, aber ich sehe das in größter Gelassenheit."

Kern will nicht jeden Blödsinn erklären müssen

Seine Haltung begründet Kern so: "Wird es im Wahlkampf helfen? Gewiss nicht, das ist mir bewusst. Das wird Nachteile haben für uns, die werden das weiter machen, werden diese Kampagne vielleicht jetzt noch wütender führen, das mag schon alles sein. Aber auf der anderen Seite: Irgendwo gibt es Grenzen. Ich möchte nicht meinen Söhnen jedes Wochenende erklären, dass das ein Blödsinn ist, was sie in der Zeitung lesen."

"Österreich" hatte nicht nur wiederholt von den Vorhaltungen des Ex-SPÖ-Mitarbeiters berichtet, dass Kern eitel sei und auf Journalistenkritik oft mimosenhaft und wie eine "Prinzessin" reagiere. Die Gratiszeitung hatte den Kanzler zuletzt in Fotomontagen auch in Prinzessinnenkleidung abgebildet und dutzende Postings zum vermeintlichen Psychogramm veröffentlicht. Herausgeber Wolfgang Fellner sieht darin nichts Verwerfliches: "Der Abdruck des 'Dossiers', auf das der Kanzler wie eine Super-Mimose reagiert, war journalistische Pflicht", schreibt er.

50.000 "atemberaubende" Euro

Dass die SPÖ in "Österreich" keine "Wahlkampfinserate" mehr schalten werde, hatte Kern am Montagabend auf Facebook verkündet. Laut Fellner geht es bei den gestoppten Inseraten "um die atemberaubende Summe von 50.000 Euro, die weder den Wahlsieg noch den wirtschaftlichen Erfolg von 'Österreich' beeinflussen werden". Aber: "Politiker sollten nicht als 'Strafe' für ihnen nicht genehme Berichte Interviewverbote und Inseratenboykotte verhängen. Das ist schlechter Stil à la Donald Trump", so Fellner.

Der Herausgeber erinnert daran, auch das geheime "Strategiepapier" von ÖVP-Chef Sebastian Kurz veröffentlicht zu haben. Dieser habe darauf "deutlich professioneller und auch souveräner reagiert als der Kanzler". Fellner hält fest, dass "Österreich" – "im Gegensatz zu den Hyper-Empfindlichkeiten unseres Kanzlers" – in diesem Wahlkampf keine Kampagnen führe, man werde Kern auch weiterhin fair behandeln. Fellner: "Inseratenstornos werden uns in unserer Berichterstattung ebenso wenig beeinflussen wie Inseratenbuchungen."

Viel Geld von Ministerien, wenig von Parteien

Tatsächlich machen die Parteiinserate für die meisten Zeitungen das Kraut nicht fett. Die Rechercheplattform Dossier zählt seit Anfang September entgeltliche Einschaltungen in sechs bundesweit erscheinenden Tageszeitungen und addiert die Listenpreise der Inserate ohne die üblichen, teils beträchtlichen, Rabatte.

Das Ergebnis, Stand Freitag: Insgesamt warben öffentliche Stellen und Parteien im Bruttowerbewert von 6,13 Millionen Euro. Weniger als ein Zehntel davon, 544.228 Euro, kamen laut der Dossier-Auswertung von Parteien. Um stolze 1.638.600 Euro dagegen warben Ministerien – zwei Drittel der Einschaltungen stammen dabei aus SPÖ-geführten Ressorts. Der größte Teil der Inserate von öffentlichen Stellen und Parteien ging dabei an die Boulevardblätter Kronen Zeitung, Heute und Österreich – insgesamt fast 4,5 Millionen Euro.

Inseratenstopp schon länger gefordert

Innerhalb der SPÖ gibt es schon seit längerem Stimmen, die sich für einen Inseratenstopp in "Österreich" und anderen Boulevardmedien aussprechen, allerdings nicht wegen etwaiger Kritik am SPÖ-Chef, sondern wegen der hetzenden Berichterstattung, die diesen Medien vorgeworfen wird. Die Sektion 8 der SPÖ hatte etwa gefordert, dass Medien, die "Angstmache" und das "Ausspielen von Bevölkerungsgruppe" betreiben, nicht durch Inserate unterstützt werden sollen. Zwischen "Österreich" und der Sektion 8 gab es deswegen auch eine rechtliche Auseinandersetzung vor dem Handelsgericht. (APA, red, sefe, 26.9.2017)