Bundeskanzler Christian Kern bei der Konferenz Darwin's Circle.

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Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) warnte am Donnerstagvormittag bei der Konferenz Darwin's Circle in Wien vor "erheblichen Risiken", die mit der Digitalisierung verbunden seien. Man solle "nicht naiv sein", trotz vieler wirtschaftlicher Chancen die gesellschaftlichen Auswirkungen zu übersehen, etwa für den Arbeitsmarkt und das Sozial- und Steuersystem.

Es gehe aber auch darum, "einen positiven Zugang zu Digitalisierung zu entwickeln", betonte Kern. "Die Entwicklungen werden eines Tages mit einer Wucht daherkommen, die wir uns heute möglicherweise nicht vorstellen können."

360.000 Stellen

Laut einer im April veröffentlichten Studie des Instituts für Höhere Studien gefährdet die Digitalisierung der Wirtschaft und Arbeitswelt mittelfristig rund neun Prozent aller Jobs (360.000 Stellen) in Österreich. Auf Hilfsarbeiter und Handwerker entfallen dabei mehr als 50 Prozent der bedrohten Jobs. Positive Effekte durch die Digitalisierung wurden bei der Studie nicht eingeschätzt.

Kern verwies auf das Silicon Valley in den USA, wo "sich diese Welt massiv spaltet". Man werde es etwa nicht schaffen, eine Supermarktkassiererin oder den Bundeskanzler zu einer Raketenwissenschafterin umzuschulen. Viele Menschen empfänden die digitalen Veränderungen und die aktuelle "Übergangsphase" in Österreich als Bedrohung. Die Digitalisierung zwinge die Politik, das "Sozial- und Steuersystem auf völlig neue Beine zu stellen".

"Es ist unsere Verpflichtung als Elite in diesem Land, dafür zu sorgen, dass hier niemand unter die Räder kommt, sonst wird diese Revolution die Tendenz haben, ihre eigenen Kinder aufzufressen", so Kern. Österreich werde es nicht schaffen, etwa einen Online-Händler wie Amazon hervorzubringen. Durch den hohen Industrieanteil am Bruttoinlandsprodukt von rund 20 Prozent gebe es bei der Digitalisierung aber eine "Riesenchance" für die heimische Wirtschaft. Dafür müsse es eine Zusammenarbeit zwischen Staat und privaten Unternehmen geben. Der Erfolg des iPhone gebe ihm recht, so Kern. Schließlich stammten GPS, Siri und das Display aus Firmen, die staatlichen Unternehmen.

"Menschen wissen nicht, wie viele Terroranschläge vereitelt werden"

Der Chef des Datenintegrators und NSA-Dienstleisters Palantir, Alex Karp, verwies auf den erfolgreichen Kampf der europäischen Staaten gegen Terrorismus. "Es ist schade, dass die Menschen nicht wissen, wie viele Terroranschläge vereitelt werden", sagte Karp bei der Digitalkonferenz. Er wollte aber nicht "ausplaudern", in welchen Ländern Palantir aktiv ist. Karp betonte auch den strengeren Datenschutz in Europa. Die Bevölkerung wisse nicht, "wie streng es ist in Europa". Politisch vertrat er ähnliche Positionen wie Kern. So ist auch er gegen die Spaltung der Bevölkerung.

Außerhalb der Industriellenvereinigung – die als Konferenzort dient – demonstrierte am Vormittag eine Gruppe von Studierenden am Schwarzenbergplatz gegen Internetkonzerne. Sie forderten auf Transparenten "Unsere Daten, unsere Regeln" und kritisierten den Ticketpreis der Konferenz von 1.000 Euro. (APA, red, 28.9.2017)