Die Interpretation, dass der Schweizer Marcel Koller einen wehmütigen Blick hat, ist nicht unzulässig.

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Wien – Marcel Koller saß Donnerstagmittag in einem dieser typischen Hotelseminarräume, die nicht gerade heimelig sind. Der 56-Jährige blickte drein wie in den vergangenen sechs Jahren. Fokussiert, freundlich, Kaderbekanntgaben sind Teamchefroutine. Gut, die Haare sind etwas grauer als bei der Premiere Ende 2011, aber sonst war es Business as usual.

Die Kommunikationschefin des ÖFB ratschte die Liste der nominierten Spieler runter, die Debütanten wurden extra erwähnt. Diesmal sind es LASK-Tormann Pavao Pervan und Salzburgs Su-pertalent Hannes Wolf, er ist erst 18 Jahre alt und laut Koller "die Zukunft des österreichischen Fußballs". Für die beiden Neuen mag das wunderbar sein, Koller wird sie am Montag begrüßen, ihnen in Kürze seine Ideen vermitteln. Um sich eine Woche später zu verabschieden.

Zwei letzte Male

Denn es sollte Kollers letzter Auftritt zum Thema Kaderbekanntgabe gewesen sein. Das Präsidium hatte ja am 15. September in Gmunden beschlossen, den am 31. Dezember auslaufenden Vertrag nicht zu verlängern. Koller wurde das von Leo Windtner, dem Verbandschef, in einem mehrsekündigen Telefonat mitgeteilt. Dass Koller noch die WM-Qualifikationspartien am 6. Oktober in Wien gegen Serbien und drei Tage später in Moldau leitet, wurde ausverhandelt, dabei ging es auch um finanzielle Aspekte. Theoretisch könnte er das Freundschaftsmatch Mitte November voraussichtlich gegen Uruguay mitnehmen. Da davor ein einwöchiges Trainingslager stattfindet, wäre das völlig absurd, der ÖFB müsste in diesem Fall unter Vormundschaft gestellt werden. Koller wartet ab. Und wird seinem Nachfolger, sollte der bis dahin gefunden sein, nicht im Weg stehen.

Er nahm erstmals öffentlich Stellung zum Abschied. Und ja, in seinen Gesichtsausdruck konnte Wehmut interpretiert werden. Der Schweizer ist ein Sir, wusch keine Schmutzwäsche, kritisierte die Verbandsspitze nur sanft. "Vielleicht hätte man die beiden Spiele noch abwarten können." Anderseits sei es ein normaler Vorgang. "Verträge laufen eben aus. Die eine Seite, der ÖFB, hat entschieden, den Weg nicht weiterzugehen. Das war’s, das ist absolut korrekt. Wir waren nie grottenschlecht, aber Trainer brauchen eben Siege."

Eine leise Kritik

Ob er, Koller, an einer Verlängerung überhaupt interessiert gewesen wäre? "Es macht keinen Sinn, darüber zu sprechen. Ich hätte es mir überlegt." Dass einige Landespräsidenten vorgeprescht sind und schon vor der Sitzung ihre Meinung kundgetan haben, sei suboptimal gewesen. "Man sollte in einer Familie zuerst intern alles besprechen. Das habe ich sechs Jahre so gehalten." Immer noch im Raum steht eine Trennung von Sportdirektor Willi Ruttensteiner, Koller kann diese Diskussion nicht ganz nachvollziehen. "Er hat gute Ideen und den Verband weitergebracht."

Koller verspricht für die Länderspiele Nummer 53 und 54 vollen Einsatz. "Ich werde mich sicher nicht hängenlassen und alles rausholen. Das gilt auch für die Spieler. Sie sollen nicht glauben, der Alte da vorne ist eh nicht mehr lange dabei. Da schreite ich ein."

Über Serbien wurde kaum gesprochen, es sind 35.000 Karten abgesetzt. Zur Beunruhigung: Der Großteil wurde an die Gästefans verkauft, es wird ein Auswärtsspiel im Happel-Stadion. Die Serben wären im Fall eines Sieges fix Gruppenerster und WM-Teilnehmer. Für die Österreicher geht es um einen würdigen Abschied . Koller hat sich über die Solidaritätsbekundungen gefreut, will sie nicht überbewerten. "Keiner sagt, der Trainer war ein Fehlgriff." Zwei Siege wären schön. "Nach sechs Jahren braucht es keine Genugtuung, es hat ja gepasst." Wie man Serbien schlägt? "Ein Tor mehr schießen." Er lächelte. Vermutlich wehmütig. (Christian Hackl, 28.9.2017)

ÖFB-Kader für die WM-Qualifikationsspiele gegen Serbien und Moldau

Tor:

Daniel Bachmann (Watford/0 Länderspiele)
Heinz Lindner (Grasshoppers/13)
Pavao Pervan (LASK/0)

Abwehr:

Moritz Bauer (Kasan/1)
Kevin Danso (Augsburg/2)
Aleksandar Dragovic (Leicester/59/1 Tor)
Martin Hinteregger (Augsburg/27/2)
Stefan Lainer (Salzburg/3/0)
Philipp Lienhart (Freiburg/0)
Maximilian Wöber (Ajax/0)

Mittelfeld:

David Alaba (Bayern/59/11)
Marko Arnautovic (West Ham/64/15)
Julian Baumgartlinger (Leverkusen/56/1)
Florian Grillitsch (Hoffenheim/3/0)
Martin Harnik (Hannover/68/15)
Stefan Ilsanker (Leipzig/25/0)
Florian Kainz (Bremen/3/0)
Marcel Sabitzer (Leipzig/28/4)
Louis Schaub (Rapid/3/1)
Hannes Wolf (Salzburg/0)

Angriff:

Guido Burgstaller (Schalke/11/0)
Michael Gregoritsch (Augsburg/4/0)
Marc Janko (Sparta Prag/65/28)

Auf Abruf:

Markus Kuster (Mattersburg/0)
Jörg Siebenhandl (Sturm/0)
Florian Klein (Austria/45/0)
Dario Maresic (Sturm/0)
Dominik Wydra (Aue/0)
Stefan Hierländer (Sturm/0)
Christoph Knasmüllner (Admira/0)
Konrad Laimer (Leipzig/0)
Maximilian Sax (Admira/0)
Philipp Schobesberger (Rapid/0)
Deni Alar (Sturm/0)
Lukas Hinterseer (Bochum/12/0)