Die Präsentation des letzten Happens seines Regierungsprogramms – geschickt, wie sein Wahlkampf nun einmal organisiert ist, nach der Wahl in Deutschland angesetzt – lässt keinen Zweifel daran offen, dass sich Sebastian Kurz nach der ÖVP auch die Republik auf seine Person zurechtschneidern will. Erst seit er sich sicher wähnt, am 15. Oktober Erster zu werden, gräbt er den alten Hut einer Richtlinienkompetenz für den Bundeskanzler aus, um sich den Zugriff auf Ressorts über Parteigrenzen hinweg zu sichern. Verbunden damit ist die offene Tendenz, Österreich von einer repräsentativen Demokratie in ein plebiszitäres Regime umzuwandeln, in der von einem Kanzler mit Richtlinienkompetenz jährlich ein bis zwei Termine angesetzt werden, an denen das Volk per Befragung oder Abstimmung Dampf ablassen darf. Die Annahme, dass damit der Opposition eine basisdemokratische Spielwiese eröffnet werden soll, ist bei dem cäsaristischen Anspruch, den er sich anmaßt, durch nichts begründet.

Um das "alte System" – was immer darunter zu verstehen ist – abzuschaffen, bedarf es des Führerprinzips. "Ein Bundeskanzler muss führen können", ist plötzlich die Parole, nachdem es bisher vor allem galt, dem Bundeskanzler in den Arm zu fallen, wo es nur ging. Aber der hieß ja auch nicht Kurz. Das alles ließe sich noch irgendwie begreifen, hätte der selbsternannte Führer ein einziges Mal in seiner ja nun schon langen Karriere im "alten System" echte Führungsqualität außer bei seiner persönlichen Karriere bewiesen. In der Sache geniert er sich nicht, einen Wahlkampf hauptsächlich auf Kosten von Flüchtlingen zu führen, und mit dieser Mobilisierung eines angstbefeuernden Patriotismus des niedrigen Instinkts ist er nicht einmal originell – ein Strache macht das schon viel länger.

Und dazu proklamiert er: "Der Kanzler muss die Möglichkeit haben, zu führen und zu entscheiden", dazu braucht er die "Letztverantwortung und die Richtlinienkompetenz". Wie es mit der "Letztverantwortung" von Führernaturen aussieht, dafür hat die Geschichte genug abschreckende Beispiele geliefert. Am Ende ihrer Weisheit angelangt, verabschieden sie sich fallweise mit dem Ausweg "Gott schütze Österreich!".

Nun lockt Kurz mit diesen Wünschen keinen Verfassungsrechtler hinter dem Ofen hervor, allein in Verbindung mit der Abwertung demokratischer Parteien und der Verächtlichmachung jenes "alten Systems", das die Zweite Republik immerhin, auch international gemessen, zu einem Erfolg gemacht hat, ist dieses Geschwätz umso gefährlicher, als eine rechtsextreme Burschenschafterpartei im AfD-Modus nur darauf wartet, von der Volkspartei in ihren antidemokratischen Ideen bestätigt zu werden.

Und was hört man aus der SPÖ zu all dem? Dass man ein Sudelblatt vom Boulevard, dem man jahrelang Millionen aus Steuermitteln hineingeschoben hat, nun ein paar Wahlinserate entziehen will, weil sich der Bundeskanzler von ein paar zitierten – sachpolitisch übrigens völlig irrelevanten – Beschreibungen seiner Person beleidigt fühlt. Wenigstens steht er als Prinzessin auf der Erbse nicht im Verdacht des Cäsarenwahns. (Günter Traxler, 28.9.2017)