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Rund 900 kolossale Moai stehen heute auf Rapa Nui verteilt. Sie zeigen, dass die Bevölkerung der Osterinsel einst bedeutend umfangreicher gewesen sein muss als bei der Ankunft der Europäer.

Foto: Reuters / Carlos Barria

Die Osterinsel entspricht optisch annähernd einem gleichschenkeligen Dreieck mit einer Größe von 162,5 Quadratkilometern.

Illustration: Eric Gaba

Davis/Wien – Als der niederländische Seefahrer Jacob Roggeveen am Ostersonntag des Jahres 1722 als erster Europäer die Osterinsel betrat, dürften er und seine Mannschaft vor allem die imposanten Moai bestaunt haben. Die großteils umgeworfenen meterhohen Steinstatuen verteilen sich in Gruppen über die gesamte 162 Quadratkilometer große Insel, ihr genauer Zweck und auch ihr Alter sind bis heute weitgehend ungeklärt.

Was den Besuchern aus Europa ebenfalls auffiel, war das offenkundige Missverhältnis zwischen der Zahl der Moai und der Ureinwohner der Osterinsel: Beinahe tausend Steinkolosse standen (oder lagen) Anfang des 18. Jahrhunderts einer Bevölkerung von 1.500 bis höchstens 3.000 Menschen gegenüber. Als James Cook 50 Jahre später die Insel besuchte, waren es gar nur mehr 700 Menschen.

Rätselhafte Geschichte

Schon damals war den Forschungsreisenden aus Übersee klar: Diese Kultur muss einst bedeutend größer gewesen sein. Viel mehr als das weiß man allerdings bis heute nicht über die rätselhafte Geschichte von Rapa Nui, wie die Osterinsel unter den Einheimischen heißt. Wann die Insel erstmals besiedelt wurde, ob es eine oder mehrere Einwanderungswellen gab und woher diese Menschen überhaupt kamen – all diese Fragen sind nach wie vor Gegenstand von Diskussionen. Zur Zeit dominiert – zum Teil gestützt von genetischen Analysen – die These, dass Rapa Nui im fünften Jahrhundert von Polynesien aus besiedelt worden ist.

Ab dem 12. Jahrhundert erlebte Rapa Nui eine kulturelle Blütezeit mit großem Bevölkerungswachstum und umfangreicher Bautätigkeit, die Mitte des 17. Jahrhunderts ein jähes und – wie vielfach angenommen wird – selbstverschuldetes Ende fand: Der Keim der Katastrophe wurde vermutlich bereits im 13. Jahrhundert gelegt. Zu dieser Zeit begannen die Insulaner, den flächendeckenden Palmenwald nach und nach abzuholzen.

Ökokatastrophe, Krieg und Klima

Die Folgen waren Bodenerosion und Einbrüche bei der Nahrungsmittelproduktion und schließlich ein kontinuierlicher Bevölkerungsrückgang, von dem sich Rapa Nui nie mehr erholen sollte. In welchem Ausmaß kriegerische Auseinandersetzungen und klimatische Ursachen zum Zusammenbruch beitrugen, ist ungewiss.

Eines der größten Rätsel kreiste bisher um die Frage, wie groß die Inselbevölkerung während ihrer Hochphase war. Ein Team um Cedric Puleston von der University of California in Davis könnte darauf nun eine Antwort gefunden haben. Die Wissenschafter, darunter Archäologen, Bodenexperten, Biochemiker und Populationsbiologen, untersuchten das landwirtschaftliche Potenzial der Osterinsel, um festzustellen, wie viele Menschen damals maximal ernährt werden konnten.

Große Bevölkerung, die rasch dahin schwand

Dabei zeigte sich, dass rund 19 Prozent der Inselfläche dazu geeignet waren, um Süßkartoffeln, das Hauptnahrungsmittel der Rapanui, anzubauen. Unter Einbeziehung von durchschnittlichen Geburts- und Todesraten bei entsprechender Ernährung kamen die Forscher im Fachjournal "Frontiers in Ecology and Evolution" auf eine Gesamtbevölkerung von 17.500 Menschen für die Zeit kurz vor dem Kollaps.

"Wenn wir unsere Nahrungs-Schätzungen mit den Bedingungen auf anderen polynesischen Inseln vergleichen, erscheinen unsere Ergebnisse durchaus plausibel", meint Puleston. Sollten diese Zahlen stimmen, sei der Niedergang der Rapa-Nui-Kultur bedeutend dramatischer gewesen als bisher angenommen, meinen die Wissenschafter – was die Osterinsel nochmal um ein Stück rätselhafter macht. (Thomas Bergmayr, 29.9.2017)