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Herzliche Begrüßung zwischen Angela Merkel und Emmanuel Macron beim EU-Gipfel in Tallinn. Die deutsche Kanzlerin begrüßte "außerordentlich" Macrons Vorschläge für die Zukunft der Union.

Foto: Reuters / Fabrizio Bensch

Wie geht es nach den Wahlen in den beiden wichtigsten EU -Mitgliedsländern, Frankreich und Deutschland, jetzt bei den angekündigten Reformen in der Europäischen Union weiter? Kann und soll umgehend ein konkreter Zeitplan für eine rundum erneuerte EU der 27 Mitgliedstaaten erstellt werden in einem Szenario, bei dem Großbritannien Ende März 2019 aus der EU austritt?

Und welche dazu präsentierten Pläne und Konzepte sind realistisch: Vertiefung und Erweiterung der Eurozone, wie das EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in der Rede zur Lage der Union am 13. September in Straßburg in Aussicht stellte; oder Schaffung einer neuen echten Verteidigungsunion samt gemeinsamer Eingreiftruppe, wie sie Frankreichs Präsident Emmanuel Macron Dienstag bei einer zweistündigen flammenden Europa rede in der Universität Sorbonne in Paris vortrug, samt Forderung nach "Neugründung" der Union?

Fragen dieser Art standen zum Auftakt eines informellen EU-Gipfels in der estnischen Hauptstadt Tallinn Donnerstagabend im Mittelpunkt. Der Druck auf die Staats- und Regierungschefs der Union steigt angesichts der zunehmenden globalen Konflikte und der Verunsicherung, welche Rolle die Europäer zwischen den USA und China in Zukunft spielen sollten.

Merkel: Gute Grundlage

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel stellte sich klar hinter Macron. Es gebe "ein hohes Maß an Übereinstimmung auch zwischen Deutschland und Frankreich", sagte sie. "Allerdings müssen wir noch über Details sprechen", fügte sie hinzu. "Insofern sehe ich jedenfalls eine gute Grundlage in der Rede des französischen Präsidenten, hier intensiv zwischen Deutschland und Frankreich weiter zu arbeiten."

Der luxemburgische Außen minister Jean Asselborn forderte Merkel dazu auf, nach Juncker und Macron auch eine weg weisende Europarede zu halten. "Man erwartet in Europa, dass auch eine Rede aus Deutschland kommt, die nicht europapolitisch zerknirscht ist, sondern nach vorne zeigt", sagte er in einem Interview. Er vermeint nach den Anstößen von Juncker und Macron "einen gewissen Enthusiasmus wachsen" zu sehen. Auch Juncker forderte die Regierungschefs bei einer Rede in München aus Anlass einer Preisverleihung an ihn dazu auf, zu handeln, sich konkret mit den vorgelegten Szenarien für eine EU-Reform zu beschäftigen. Auch ohne EU-Vertragsänderung könne man bis 2019 einen tiefgehenden Umbau angehen, etwa bei der gemeinsamen Steuerpolitik: "Die Regierungschefs müssen es nur einstimmig beschließen."

Ratspräsident Donald Tusk sprach sich dagegen aus, dass bereits jetzt über die künftige Beziehung der EU zu Großbritannien nach dem Brexit verhandelt wird: Dazu reichten die bisherigen Ergebnisse mit London nicht aus. Was Premierministerin Theresa May wieder ganz anders sieht: Sie will von den EU-27 jetzt Klarheit, wie es nach dem Brexit in den Beziehungen weitergeht. (Thomas Mayer aus Tallinn, 28.9.2017)