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Wolfgang Schäuble steht rangmäßig künftig über Angela Merkel.

Foto: REUTERS/Hannibal Hanschke

Noch ist unklar, wer im neuen Deutschen Bundestag wo sitzt, welche Fraktion es neben welcher aushalten muss. Einer jedoch hat seinen Sessel schon im Blick: Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Er wird demnächst im Plenum des Bundestages ganz vorn in der Mitte thronen, als neuer Bundestagspräsident.

Der rhetorisch brillante, kluge und belesene 75-Jährige wird seine neue Aufgabe gut meistern, da sind sich alle sicher. Niemand in Berlin blickt auf eine so lange politische Karriere zurück wie Schäuble. Er sitzt seit 1972 im Bundestag, er war Chef des Bundeskanzleramtes, zweimal Innenminister (einmal unter Helmut Kohl, einmal unter Angela Merkel), Fraktionschef und CDU-Chef. Seit 2009 ist er Finanzminister und als solcher seit 2014 Herr über die "schwarze Null".

Tragische Persönlichkeit

Einer, der alles erreicht hat – könnte man meinen. Und dennoch – blickt man nicht bloß auf die vielen Ämter, sondern auf das, was Schäuble versagt blieb, dann zeigt sich: Selbst in diesem außergewöhnlichen Leben ist noch etwas unvollendet. Die "fähigste und zugleich tragischste Persönlichkeit in der neueren CDU-Geschichte" hat der Historiker Hans-Peter Schwarz den Mann aus Freiburg einmal genannt.

Schäuble, der seit einem Attentat 1990 im Rollstuhl sitzt, wäre gerne Bundeskanzler geworden. Eigentlich galt er 1998, im letzten Kanzlerjahr von Kohl, als dessen Kronprinz. Aber dann wollte "der Alte" es selbst noch einmal wissen – und verlor das Kanzleramt an Gerhard Schröder. Schäuble übernahm den CDU-Vorsitz und stellte sich wieder hinten an, aber er sollte es nicht mehr bis ganz hinauf schaffen.

2000 musste er wegen einer falsch deklarierten Parteispende des Waffenhändlers Karlheinz Schreiber in Höhe von 100.000 D-Mark auf Druck von Merkel den Partei- und Fraktionsvorsitz abgeben.

"Zuchtmeister" und "Sparefroh"

Loyal, aber unbequem werde er sein, versicherte er Merkel, als diese ihn 2005 in ihr Kabinett holte. In der Eurokrise wurde er, der "Zuchtmeister" und "Sparefroh", der wichtigste Mann an ihrer Seite. Er wäre gerne noch Bundespräsident geworden, aber da hatte Merkel zunächst andere Pläne und war später nicht mehr in der Lage, sich durchzusetzen.

Vielleicht ist das nächste Amt für Schäuble deshalb eine Genugtuung. Letztendlich sitzt er doch auf einem Präsidentensessel und steht als Bundestagspräsident protokollarisch zwar unter dem Bundespräsidenten, aber über der Kanzlerin. (Birgit Baumann, 28.9.2017)