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Stürmer Munas Dabbur nach erledigter Arbeit.

Foto: Reuters/Ebenbichler

Salzburg – Selbst in höchster Personalnot hat Red Bull Salzburg am Donnerstag mit dem 1:0 über Olympique Marseille für ein rot-weiß-rotes Highlight im Fußball-Europacup gesorgt. Seine Truppe könne "über Grenzen gehen", befand Trainer Marco Rose stolz, Stürmer Hannes Wolf gab das Ziel dieses Grenzgangs in der Europa League aus: "Wir haben schon den Anspruch, Gruppenerster zu sein."

Ambitionen, die nach der starken Vorstellung gegen "OM" keineswegs verwegen klingen. Dank des neunten österreichischen Siegs im 34. Spiel gegen eine Mannschaft aus der "Grande Nation" übernahm Salzburg mit vier Punkten die Tabellenführung und könnte schon am 19. Oktober bei Konyaspor einen großen Schritt in Richtung Aufstieg machen. Die Türken sind punktegleich mit Marseille (je 3) Zweiter. "Es ist natürlich ein schmaler Grat", gab Rose zu bedenken, "hätten wir verloren, würde es anders ausschauen."

Leipzig statt Salzburg

Keine Frage. Und angesichts eines Kaders, der mit seinem Lazarett bald eine zweite Truppe stellen könnte – vor dem Spiel fiel kurzfristig Fredrik Gulbrandsen aus, auch ein durchaus realistisches Szenario. Zumal Marseille mit viel Offensivkraft und seinen Defensiv-Routiniers wie Patrice Evra oder Luiz Gustavo internationales Format besitzt. Dass letztgenannter Brasilianer im Interview mit "Sky" Salzburg ganz nonchalant als Leipzig bezeichnete, wird man ihm nach dem Erfolg wohl verzeihen.

Der Respekt vor Österreichs Serienmeister jedenfalls ist bei "OM" definitiv gestiegen. "Salzburg hat es uns über 90 Minuten mit starkem Pressing sehr schwer gemacht. Wir haben Salzburg nicht unterschätzt. Es ist eine der besten Mannschaften in dieser Gruppe", meinte Trainer Rudi Garcia, der mit seiner Truppe am Sonntag das wichtige Ligaspiel gegen OGC Nizza bestreitet und gegen Salzburg sieben Umstellungen vorgenommen hatte. "Ich habe keine Entscheidung bereut, die die neu gekommen sind, haben ihre Sache sehr gut gemacht. Wir haben alles gleichwertige Spieler", betonte der Franzose.

Über die Grenzen gehen

Salzburg hingegen kann aufgrund der Personalsituation derzeit praktisch keine taktischen Umstellungen vornehmen. "Nur vier Feld-Ersatzspieler habe ich in meiner bisherigen Karriere nicht erlebt", bemerkte Tormann Alexander Walke lakonisch. "Aber offensichtlich geht die Mannschaft bestens damit um." Das fand auch Rose. "Ich habe ihnen vor dem Spiel gesagt, dass wir eine gute Truppe sind, die über ihre Grenzen gehen kann. Das hat sie heute mehr als deutlich gezeigt", gab der Deutsche zu Protokoll.

Dass Torschütze Munas Dabbur erst im dritten Anlauf traf, nach einer halben Stunde eine wahre Großchance liegen ließ, beunruhigte Rose nicht. "Er hat gerackert, ist gerannt und hat das Tor gemacht. Ich bin froh, dass ich ihn habe", sagte er über den neunfachen Saisontorschützen aus Israel. Auch für Vorbereiter Stefan Lainer zählte das Endergebnis: "Er hat nicht alles richtig gemacht, aber das entscheidende Tor erzielt, und das macht einen Goalgetter aus."

Selbstkritische Worte

Lainer führte für den Erfolg eine perfekte Teamleistung ins Treffen. "Wir haben heute eigentlich alles zu hundert Prozent umgesetzt, was wir uns vorgenommen haben", sagte der Außenverteidiger. "Uns ist es gelungen, den Gegner unter Druck zu setzen. Wir haben sie sicher überrascht und haben bei ihnen keine Spielfreude aufkommen lassen." Selbst die zuletzt oft kritisierte mangelnde Breite im Spiel habe man erzielt: "Wir haben gerade beim Tor gezeigt, dass wir über die Außen agieren können."

Einzig in puncto erste Hälfte fanden die Salzburger selbstkritische Worte. Da ließ man den Gegner mit aggressivem Pressing überhaupt nicht in die Partie kommen, konnte aber im Gegensatz zu den zweiten 45 Minuten keine spielerische Dominanz ausüben. "Das war nicht unsere beste erste Hälfte. Wir haben uns schwer getan, die Bälle zu leicht verloren", meinte Wolf am Tag seiner erstemaligen Einberufung ins ÖFB-Nationalteam. Auch Lainer attestierte, dass man "zu viele leichte Bälle hergeschenkt" habe.

Überwintern ist gut möglich

Nach dem Seitenwechsel aber gaben die "über 90 Minuten hellwachen" (Walke) Gastgeber den Ton an, bauten das Chancenplus aus und kamen schließlich auch zum hochverdienten Siegestor. Selbst gegen Ende der Partie war von einem Nachlassen keine Spur. "Vor allem die zweite Hälfte hat gezeigt, dass wir körperlich auf einem sehr guten Level sind", stellte der 18-jährige Wolf fest.

Für Lainer ist klar, dass auch der emotionale Schwung mitgenommen werden muss. "Durch dieses Spiel kann in Salzburg so etwas wie Euphorie entstehen, was ganz wichtig wäre", meinte er wohl auch im Hinblick auf die 12.000 Zuschauer, die nach Wals-Siezenheim gekommen waren. Zwar sei die Tabelle "nur eine Momentaufnahme", aber die Chance, erstmals seit zwei Jahren wieder europäisch zu überwintern ist real. "Wir sind dran, im Gegensatz zum letzten Jahr, wo wir die ersten drei Spiele verschlafen haben", betonte Lainer. (APA, 29.9.2017)