Bundeskanzler Christian Kern traf in Estland auch mit Emmanuel Macron zusammen.

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Der Wahlkampf in Österreich und die Aussicht, dass die EU-skeptische FPÖ nach dem Wahltag in einer Bundesregierung vertreten sein könnte und damit Europas Rechtspopulisten erneut Aufwind bekommen könnten, sorgten beim EU-Gipfel in Tallinn am Rande für Gesprächsstoff unter den Staats- und Regierungschefs. Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) bestätigte, dass es bei seinen Kollegen "reihum" diese Sorge gebe. Die Freiheitlichen würden bei den EU-Partnern als "krass antieuropäisch gelten".

Die FPÖ ist im Europäischen Parlament Teil der vom Front National dominierten Fraktion "Europa der Nationen und der Freiheit" (ENF), die von FN-Chefin Marine Le Pen 2015 ins Leben gerufen wurde. Nach den Parlamentswahlen in Frankreich hat sie den Fraktionsvorsitz zurückgelegt. Der Kanzler berichtete am zweiten Gipfeltag nach dem nächtlichen Arbeitsessen der EU-Regierungschefs, "das hast du natürlich als Besorgnis, ganz klar". Am stärksten ausgeprägt sei dies bei EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Dieser habe "das größte Sensorium und die beste Kenntnis Österreichs".

Sorge bei Hofer "noch schlimmer"

Kern fuhr fort, dass die Sorge seiner Kollegen Ende 2016 bei der Stichwahl der Bundespräsidentenwahl und der Aussicht, dass Norbert Hofer Präsident werde, "noch schlimmer" gewesen sei. Nach der Brexit-Abstimmung hätten die EU-Partner Angst gehabt, "Europa könnte in den Abgrund stürzen" und Österreich "der erste Stein sein, wo ein Land nach dem anderen kippt".

Nach den Wahlen in den Niederlanden und in Frankreich "stellte sich dann heraus, dass die Rechtspopulisten doch weit weg sind von der Machtergreifung", berichtete der Kanzler. Auf die Frage, ob Österreich in einer zweiten Welle mit einer Regierungsbeteiligung der FPÖ nach dem 15. Oktober wieder der erste Staat sein könnte, der solche Sorgen wegen eines Aufschwungs der Rechtspopulisten auslöst, sagte Kern: "Das wäre, wie soll ich sagen, besonders doof."

FPÖ empört

Von der FPÖ erntete Kern prompt Kritik: Generalsekretär Herbert Kickl sprach vom "alten Schema der sozialistischen Angstmache in Europa" und warf Kern vor, "bereits jetzt neue EU-Sanktionen" zu bestellen. Kickl: Kern hätte die "ungerechtfertigten Unterstellungen" gegenüber der FPÖ zurückweisen sollen, stattdessen gieße er "auch noch Öl ins Feuer". (Thomas Mayer aus Tallinn, 29.9.2017)