SP-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler und Kanzler Christian Kern vor den ORF-Sommergesprächen Anfang September.

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Samstagnachmittag erklärte Niedermühlbichler seinen Rücktritt – nur zwei Wochen vor der Nationalratswahl.

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Der ehemalige Kanzlerberater Tal Silberstein kurz nach seiner Verhaftung im August diesen Jahres.

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Wien – SPÖ-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler erklärte am Samstagnachmittag, zwei Wochen vor der Wahl, seinen Rücktritt als Bundesgeschäftsführer und Wahlkampfmanager der SPÖ. Seine Nachfolge ist noch nicht geklärt. Niedermühlbichler übernahm damit die Verantwortung für einige Aktionen des ehemaligen SPÖ-Beraters Tal Silberstein, von denen die Partei offiziell nichts gewusst haben will.

Silberstein und andere stecken hinter zwei Facebook-Seiten "Die Wahrheit über Sebastian Kurz" und "Wir für Sebastian Kurz", mit denen der politische Gegner verleumdet werden sollte. Die Seiten wurden wurden mittlerweile gelöscht, sind aber weiterhin im Google Cache zu finden.

Georg Niedermühlbichlers Pressekonferenz und Christian Kerns Reaktion.
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Niedermühlbichler beteuerte, nichts von der Aktion gewusst zu haben, die SPÖ habe diese Aktionen weder in Auftrag gegeben, noch betrieben und mit Sicherheit nicht finanziert, wie Niedermühlbichler mehrfach erklärte. Er habe aber zur Kenntnis nehmen müssen, dass ein Mitarbeiter aus der SPÖ-Zentrale, der derzeit im Krankenstand sei, involviert gewesen sei.

Niedermühlbichler: "Schwerer Fehler"

Niedermühlbichler sagte, es sei ein schwerer Fehler gewesen, Tal Silberstein als Berater der SPÖ im Wahlkampf engagiert zu haben. Nach dessen Verhaftung wegen Korruptionsvorwürfen in Israel habe er zwar schnell reagiert und das Arbeitsverhältnis aufgelöst, das sei augenscheinlich aber zu spät erfolgt.

Was über die beiden gefakten Facebook-Accounts verbreitet wurde, sei mit sozialdemokratischen Werten nicht vereinbar, sagte der zurückgetretene Parteimanager. Auch antisemitische und ausländerfeindliche Inhalte seien hier verbreitet worden. Niedermühlbichler bezeichnete die Seiten als abscheulich. "Ich frage mich, welch Geistes Kind solch einen Irrsinn verzapfen kann", sagte er bei der Pressekonferenz.

Als Niedermühlbichlers Nachfolgerin wird Maria Maltschnig, ehemals Kabinettschefin von Christian Kern und nunmehr Direktorin der SP-Akademie Renner-Institut, gehandelt.

Seiten liefen nach Silberstein-Rauswurf weiter

Die Facebookseiten wurden auch nach dem Rauswurf von Silberstein, der im August in Israel im Zusammenhang mit Korruptions- und Geldwäschevorwürfen gegen einen seiner Geschäftspartner vorübergehend festgenommen worden war, in Abstimmung mit der SPÖ-Wahlkampfzentrale weiter betrieben und erst mit den Medienberichten über die Hintergründe vom Netz genommen. Laut "profil" betrug das Budget für die mit der Negativ-Kampagne gegen Kurz betraute Spezialeinheit rund 500.000 Euro

Schon länger Vorwürfe der ÖVP

Die ÖVP wirft der SPÖ schon länger vor, verdecktes Dirty Campaigning gegen Kurz zu betreiben. Die Urheber der Seite "Die Wahrheit über Sebastian Kurz" waren wegen ihrer rassistischen Schlagseite bisher allerdings eher im rechten Milieu vermutet worden. Und "Wir für Sebastian Kurz" gab sich den Anstrich einer Fanseite für den ÖVP-Chef, die mit ihren Postings oft über das Ziel hinausschoss – etwa als sie die ÖVP mit einer Umfrage über die Schließung der Brennergrenze in Erklärungsnot brachte. Die ÖVP verlangte vergeblich die Löschung der Seite.

Peter Puller soll für Seiten verantwortlich gewesen sein

Wie "Die Presse" berichtet, soll PR-Berater Peter Puller federführend bei der Bespielung der Facebook-Seiten gewesen sein. Puller hatte gegenüber der "Presse" bestritten, mit Silberstein für die SPÖ gearbeitet zu haben. Auf Anfrage des STANDARD gab es von Puller auf die Frage der Involvierung in die Anti-Kurz-Kampagne kein Dementi. Er gab jedoch an, dass Silberstein auf eigene Faust gehandelt haben könnte.

Puller hat Erfahrung, was Dirty Campaining betrifft: 2005 arbeitete er für die steirische ÖVP, in diesem Wahlkampf wurde der damalige SPÖ-Spitzenkandidat Franz Voves als Faulpelz dargestellt, ein "Wahlkampf-Knigge", bei dem Puller beteiligt war, brachte die damalige ÖVP in Erklärungsnot . Silberstein lernte Puller über seine Tätigkeit für die Neos im Wiener Gemeinderatswahlkampf kennen. In letzter Zeit hat er auch für Efgani Dönmez, Ex-Grüner und mittlerweile für die Liste Kurz tätig, gearbeitet. Hier war er für die Bürger-Initiative gegen Extremismus im Einsatz, laut STANDARD-Informationen ist er jedoch gerade dabei, dieses Funktionen zurückzulegen.

Die Wiener Neos haben inzwischen ihre Zusammenarbeit mit Puller vorzeitig beendet. "Neos Wien war zu keinem Zeitpunkt von anderen Tätigkeiten oder Aufträgen von Herrn Puller für Tal Silberstein informiert und wir bedauern, dass wir von diesen Umständen über die Medien erfahren mussten", heißt es in einer Aussendung.

Verbindung bisher geleugnet

Die SPÖ hatte monatelang eine Verbindung zu diesen Seiten bisher geleugnet. Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler wies im August darauf hin, dass auf "Wir für Sebastian Kurz" scharf gegen Kanzler Christian Kern geschossen werde: "Die Höhe ist, dass die ÖVP dann auch noch die Chuzpe hat, uns für diese Seiten verantwortlich zu machen. Das ist Dirty Campaigning, wie es im Lehrbuch steht."

Bundeskanzler gab sich Kern zu den Vorwürfen wortkarg. Am Rande einer Wahlkampfveranstaltung meinte Kern laut "Zeit im Bild" am Nachmittag: "Da müssen sie mit dem Herrn Niedermühlbichler sprechen, aber es wird doch kein Mensch glauben, dass wir Dirty Campaigning gegen uns selbst finanzieren."

Zeit und Raum für ausführlichere Erklärungen und Kommentierungen gibt es spätestens Sonntagabend, wenn Kern mit den Spitzenkandidaten der anderen Parteien bei der Elefantenrunde im Privatsender ATV auftritt.

Grüne sehen "historische Grenzüberschreitung"

Die Grünen sehen in den Aktivitäten des Ex-SP-Beraters Tal Silberstein eine "historische Grenzüberschreitung". "Von ÖVP und FPÖ war man Grenzüberschreitungen ja schon gewohnt. Aber ich bin fassungslos, dass im SPÖ-Umfeld offenbar antisemitische und rassistische Hetze als Wahlkampfmittel eingesetzt wurde", so Bundesgeschäftsführer Robert Luschnik. Er verlangt von SP-Chef Christian Kern Aufklärung.

"Da steckt ein System dahinter"

Kaum vorstellbar ist für den Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP), dass die Anti-Kurz-Kampagne ohne Wissen und Zustimmung der SPÖ-Chefetage und nur von einem SPÖ-Mitarbeiter gestartet und betrieben wurde: "Da steckt ein System dahinter, mit ausreichend finanziellen Mitteln und Personal." Für die verbleibenden Tage in der Wahlbewegung erwartet sich der Landeshauptmann von der SPÖ einen fairen und respektvollen Umgang mit den politischen Mitbewerbern und eine klare Distanzierung von solchen Methoden.

Kritik an der SPÖ kam auch von ÖVP-Generalsekretärin Elisabeth Köstinger. Sie bezeichnete die Dirty Campaigning-Aktivitäten via Twitter als "Tiefpunkt im Wahlkampf" und forderte eine Klarstellung von der SPÖ. (völ, red, APA, 30.9.2017)