Kanzlerkandidat Sebastian Kurz hat ein neues Bedrohungsszenario aus dem Zauberhut gezogen, weil die alten offenbar nicht ganz ausreichen.

Nebst den Fluchtwegen Mittelmeerroute und der Balkanroute gibt es eine neue Fluchtrichtung: die Raus-aus-Wien-Route. So schlimm würde es hier bereits zugehen, dass die Wiener und Wienerinnen sich nicht mehr heimisch fühlten und in Scharen die Stadt verließen.

Vermutlich wurde wegen dieser alarmierenden Vorgänge seine größte Wahlkampfveranstaltung auch in dieser Stadt der 1.000 Gefahren abgehalten. Aus reiner Solidarität und Tapferkeit. Schon sein Kollege Innenminister Wolfgang Sobotka pflegte vor der U6 zu warnen; Kurz setzt dem Schlechtreden der Hauptstadt noch eins drauf.

Der Blick aus dem Fenster zeigt ein relativ unspektakuläres Wiener Nachtleben mit guten öffentlichen Anbindungen. Viele Museen sind auch für einkommensschwächere Bürger gratis betretbar, die Theater bieten viel, die Stadt ist sauber, im Vergleich sicher und immer wieder in Rankings der Lebensqualität weit oben zu finden.

Ja, das Krankenwesen hinkt und braucht definitiv eine Überarbeitung des Systems. Aber auch hier ist es immer noch besser als in sehr vielen europäischen Städten. Aber eventuell ist diese Aussage von Kurz gar nicht zynisch gemeint. Und der Kanzlerkandidat hat bloß das Wiener Fluchtachterl in Ehren gründlich missverstanden. (Julya Rabinowich, 2.10.2017)