Der Alpenblick ist zugegebenermaßen in München besser. Wien hat aber viel mehr Sozialwohnungen, was an der Isar oft Neidgefühle auslöst.

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Die Theresienwiese nahe der Innenstadt, auf der das jährliche Oktoberfest stattfindet und die sechs Monate lang brachliegt, ist "sicher ein Kuriosum", sagt Merk. "Aber ich glaube, jede Stadt hat so ein irrationales Moment." Man könne sich durchaus Gedanken darüber machen, wie die "Wiesn" temporär besser genutzt wird, glaubt die Münchner Stadtbaudirektorin.

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Merk wird natürlich auf der Expo Real in München sein, fährt aber immer auch zur Mipim nach Cannes. "Das Wichtigste auf diesen Messen ist das Netzwerken."

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Münchens Stadtbaudirektorin Elisabeth Merk will jedes Jahr 6.000 bis 9.000 Wohnungen schaffen und setzt dabei auf stadteigene Genossenschaften und Investoren. Von Wohntürmen hält sie nicht viel

STANDARD: München wächst stark, Ihr Ziel ist es deshalb, rund 10.000 Wohnungen jährlich neu zu bauen. Werden Sie das schaffen?

Merk: Wir arbeiten uns hart daran ab. Im Schnitt hatten wir immer so zwischen 5.000 und 6000 jedes Jahr. Letztes Jahr lagen wir darunter, im Jahr davor hatten wir 8.500. Dieses Jahr hoffe ich, dass wir auch ungefähr diese Größenordnung erreichen. 8500 versuchen wir neu rechtlich zu genehmigen und zwischen 6.000 und 9.000 fertigzustellen.

STANDARD: München ist schon jetzt die teuerste Stadt Deutschlands. Wächst die Stadt auch nach oben, sprich, werden wir auch hier künftig vermehrt Wohntürme sehen?

Merk: Wohnen im Hochhaus wird ab einer bestimmten Höhe verhältnismäßig teuer. Wir haben in München zwar einen gewissen Bedarf an hochpreisigen Wohnungen, aber wir sind Gott sei Dank nicht Manhattan, Paris oder London, brauchen also eigentlich einen Wohnungsbau für die breite Masse. Und dafür ist das Hochhaus in der Regel zu teuer. Luxustürme würden auch weder der Philosophie der Stadtregierung entsprechen, weil wir ja bezahlbaren Wohnraum wollen, noch gibt es bislang die Nachfrage dafür. Ich musste noch niemanden wegschicken, der ein Wohnhochhaus bauen wollte. Ein paar Türme mit teuren Wohnungen haben wir ja ohnehin schon, aber das sind nur eine Handvoll, keine nennenswerte Größenordnung.

STANDARD: Wie viel Geld steckt die Stadt München in den Wohnbau?

Merk: Im Rahmen unseres wohnungspolitischen Handlungsprogramms "Wohnraum für München VI" haben wir für den Zeitraum 2017 bis 2021 ein Fördervolumen von 850 Millionen Euro, plus diverse Zusatzprogramme, sodass wir fast auf 1,3 Milliarden Euro kommen. Das ist für einen eigenen städtischen Haushalt – wir sind ja kein Bundesland – im Zeitraum von fünf Jahren sehr viel. Da müssen wir sogar schauen, dass wir das alles ausgeben.

STANDARD: Hat die Stadt München auch eigene Wohnungsbestände?

Merk: Ja, aber nicht in der Größenordnung wie etwa in Wien. Wir haben zwar zwei städtische Genossenschaften, die GWG und die Gewofag, die derzeit rund zehn, bald zwölf Prozent des Wohnungsbestandes besitzen. Das ist für deutsche Maßstäbe recht gut, aber Wien, wo der Gemeindebau noch eine ganz andere Dimension hat, beneiden wir da schon.

STANDARD: Was an "bezahlbarem" Wohnraum geschaffen wird, errichten also vorrangig diese beiden stadteigenen Genossenschaften?

Merk: Nein, wir fördern auch gewerbliche Bauträger. Wir haben ja leider nicht mehr so viele städtische Flächen, die man noch bebauen könnte. Zwei Kasernenareale werden gerade entwickelt. Und natürlich gibt es noch Freiham als große Siedlungsfläche, die der Stadt gehört. Ansonsten ist nicht mehr viel da. Deswegen haben wir ja die "sozialgerechte Bodennutzung" (Sobon, siehe den Artikel hier) ins Leben gerufen, wo wir sagen: Bis zu zwei Drittel dessen, was an Maßnahmen generiert wird, kann nach bestimmten Kriterien in den Standort reinvestiert, also für Infrastruktur, Schulen etc. verwendet werden. Aber ein Drittel muss beim Investor verbleiben.

STANDARD: In Wien wird über den "Münchner Weg" auch zunehmend diskutiert. War die Einführung damals vor mehr als 20 Jahren eine "glückliche Fügung", weil es heute möglicherweise viel schwieriger wäre?

Merk: Wenn man es damals nicht eingeführt hätte, wäre der Münchner Wohnungsmarkt heute jedenfalls noch viel unausgeglichener. Und vor allen Dingen hätten wir nicht flächendeckend eine Durchmischung umgesetzt. In Studien über die Segregation von Städten schneidet München stets sehr gut ab, weil wir das hier über so einen langen Zeitraum kontinuierlich bei jedem Baugebiet angewendet haben. Das ist das eine. Das andere ist: Man hat das damals auch im Dialog mit der Bauwirtschaft gemacht. Da ist über den langen Zeitraum schon ein gewisses Verständnis füreinander entstanden. Dass die Ausstattung in den Quartieren gut sein muss und dass man sie gemeinsam entwickeln muss. Auch bei der jüngsten Novellierung der Sobon hatten wir da jetzt auch durchaus eine ganz gute Zusammenarbeit und Verständnis vonseiten der Immobilienbranche. Was mir als größte Qualität der Sobon erscheint, ist, dass man die Kriterien transparent macht. Alle Bauträger werden gleich behandelt, man kann als Investor auch kalkulieren, wenn man einen Grund erwirbt, was ungefähr auf einen zukommt. Man hat also belastbare Größen, die für alle gleich sind. Und die auch transparent sind.

STANDARD: Sie sind natürlich immer auf der Expo Real in München, aber auch auf der Mipim in Cannes repräsentieren Sie regelmäßig Ihre Stadt. Was haben Sie davon?

Merk: Ich würde jetzt einmal so sagen: Wir haben es als Stadt München sicher nicht nötig, unsere Grundstücke wie Sauerbier anzubieten. Wir müssten also nicht auf Messen fahren, um unsere Flächen zu vermarkten. Aber ich meine, man kann sich ja auch nicht – salopp gesagt – auf dem Oktoberfest und dem FC Bayern als Botschafter von Qualität ausruhen. Wir werben natürlich auch für unseren Standort, mit unseren Qualitäten, und da geht es auch darum, die Marke München zu transportieren, durch die gesamte Münchner Delegation – also Politik, Verwaltung, aber auch die Bauträger, mit denen wir das gemeinsam machen. Denn der Auftritt wird ja weitgehend von der Wirtschaft mitfinanziert.

STANDARD: Weil die will, dass die Stadt mit dabei ist?

Merk: Also anfangs war der Messeauftritt schon eine Initiative der Stadt. Wir mussten auch immer darum werben, dass sich Private mit engagieren. Ich sage nicht, dass das mittlerweile ein Selbstläufer ist, aber ähnlich wie bei der Sobon ist auch das gewachsen. Das macht die Qualität aus. Und man sieht auf diesen Messen ja auch, was andere Städte machen, Paris zum Beispiel. Und die Projektentwickler, die ja auch nicht nur in München aktiv sind, bringen manchmal Leute mit auf den Stand. Ich habe am Anfang auch gedacht, ich brauche das nicht, denn ich habe hier ja sowieso schon tausend Termine mit Entwicklern, warum muss ich das in Cannes auch noch haben? Ich habe dann aber festgestellt, dass das dort schon eine andere Atmosphäre hat. Hier in meinem Büro sitze ich vielleicht nur mit den Juristen und Entwicklern zusammen, dort kommt dann auch einmal ein Banker dazu oder ein anderer Geschäftspartner. Ich würde also sagen, das Wichtigste ist das Netzwerken. Keine Stadtbaurätin wird in Cannes mit Blick aufs Meer andere Baugenehmigungen erteilen. Aber ich glaube, das Verständnis füreinander wächst, und es kommen auch immer wieder Leute aus anderen Städten oder Ländern auf einen zu und fragen an. Wir haben beispielsweise einige französische Partner, die in München etwas entwickelt haben und die wir auf diesen Messen näher kennengelernt haben. Die ganzen Finanzkonstruktionen dahinter durchschaue ich ehrlich gesagt nicht immer, das sind ja sehr komplexe Welten. Aber man bekommt einen Einblick.

STANDARD: Die Expo Real findet ja gleich nach dem Oktoberfest statt. Wenn man außerhalb der Oktoberfestzeit, also beispielsweise im Frühjahr, zur Theresienwiese fährt, findet man einen relativ hässlichen grauen Schotterplatz vor, bestens erschlossen mit der U-Bahn. Vor zwei oder drei Jahren gab es auch einmal einen Architektur-Event, bei dem Vorschläge für eine neue Nutzung der Wiesn gesucht wurden. Das war freilich nicht ganz ernst gemeint, aber hatte das nicht doch einen wahren Kern?

Merk: Die Wiesn ist sicherlich ein Kuriosum, ja. Das ist eine Fläche, die wir mit unseren heutigen Regularien niemals neu erfinden könnten. Aber ich glaube, jede Stadt hat so ein irrationales Moment. Ich kann mir zwar schon vorstellen, dass wir uns Gedanken darüber machen, wie die Wiesn in der Zeit, in der sie nicht bespielt wird, vielleicht auch einmal mit temporären Elementen versehen bzw. noch ein bisschen netter ausgestattet werden kann, für temporäre Nutzungen. Ich glaube aber auch, dass es durchaus einmal klug sein kann, nicht alles zuzubauen. Diese Fläche hat nämlich auch unter dem Jahr Qualitäten. Sie ist zwar nicht der Englische Garten, aber trotzdem ein großartiger Freiraum. Man sieht immer wieder viele Menschen spazieren, und es gibt ja auch andere Veranstaltungen auf dem Gelände. Das Oktoberfest selbst wird übrigens auch drei Monate lang auf- und dann drei Monate lang wieder abgebaut. Ich habe eine eigene Abteilung, die sich nur darum kümmert. Man darf das nicht unterschätzen. (Martin Putschögl, 3.10.2017)