Die Vorwürfe im Pflegeskandal wurden bereits vergangenen Oktober bekannt.

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St. Pölten –Wiens Patienten- und Pflegeanwältin Sigrid Pilz fordert angesichts der Causa Pflegeheim in Kirchstetten/NÖ und der darauffolgenden Einstellung zweier verdächtiger Pfleger in einer Wiener Einrichtung eine Art Whistleblower-Anlaufstelle für Mitarbeiter, die Auffälligkeiten bemerken. Außerdem plädierte sie am Montag für die Etablierung einer systematischen Qualitätssicherung.

"Das eine ist die Rechtssituation. Das andere ist die Frage der internen Kommunikation – also ob es gewünscht und gefördert wird, dass jemand Missstände oder Auffälligkeiten beobachtet und diese auch kommunizieren kann oder ob er dann als Vernaderer hingestellt wird", sagte Pilz. Wie die Praxis zeige, würden "Insellösungen" nicht funktionieren: "Es braucht eine zentrale Stelle, an die man sich wenden kann, zu der sich Leute trauen hinzugehen, ohne das Gefühl zu haben, beim Salzamt zu sein." Eine solche könnte beispielsweise beim Dachverband der Pflegeeinrichtungen angesiedelt sein.

Gutachten erwartet

In den Ermittlungen rechnet die Staatsanwaltschaft St. Pölten in den kommenden Wochen mit dem Gutachten des gerichtsmedizinischen Sachverständigen. Der Fokus liege unter anderem darauf, ob es bei der Medikation der Patienten Abweichungen von der Verschreibung gegeben habe, teilte Sprecher Leopold Bien am Montag auf Anfrage mit.

Zudem soll der Gutachter laut Staatsanwaltschaft feststellen, ob es Spuren allfälliger Gesundheitsschädigungen oder Körperverletzungen bei Heimbewohnern als Folge von Übergriffen durch Pflegekräfte gibt. Der Gerichtsmediziner wurde Ende April mit dem Gutachten beauftragt. Die Verzögerung bei der Erstellung der Expertise wurde damit begründet, dass einer von zwei Sachverständigen für dieses Fachgebiet im Sprengel zuständig sei, der auch in anderen Verfahren – etwa bei Tötungsdelikten – als Gutachter herangezogen werde.

Verdächtige leugnen

Die fünf Verdächtigen leugnen die Vorwürfe, Patienten gequält und vernachlässigt sowie strafbare Handlungen gegen deren sexuelle Integrität und Selbstbestimmungen begangen zu haben. Die ehemaligen Pflegekräfte der Einrichtung im Bezirk St. Pölten-Land wurden nach dem Bekanntwerden der Causa im Oktober 2016 einmal vernommen.

Zwei Verdächtige, die danach in einem Wiener Pflegeheim beschäftigt waren, wurden nach ihrer Festnahme in der vergangenen Woche erneut befragt. Sie hielten laut Staatsanwaltschaft ihre leugnende Verantwortung aufrecht. Die beiden wurden vergangenen Donnerstag unter Auflagen auf freien Fuß gesetzt. Eine neuerliche Vernehmung werde es geben, wenn sich neue Umstände ergeben, sagte Bien.

Berufssperre

Nach dem Öffentlichwerden der Vorwürfe im Oktober vergangenen Jahres wurden bei Durchsuchungen an den Wohnadressen der Verdächtigen Handys sichergestellt. In einem Gutachten wurden Daten der Mobiltelefone ausgewertet, im April folgte die Beauftragung eines gerichtsmedizinischen Gutachters. Nach einem "Falter"-Bericht mit unter anderem Details zu Einvernahmeprotokollen wurden vergangenen Mittwoch zwei Verdächtige, die als Pflegekräfte in einer Wiener Einrichtung arbeiteten, wegen Tatbegehungsgefahr festgenommen. Sie wurden einen Tag später gegen das Gelöbnis enthaftet, bis zum Ende des Verfahrens nicht mehr im Pflegebereich tätig zu sein. (APA, 2.10.2017)