Der Angeklagte beim ersten Prozesstag in Graz im Jänner.

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Graz – Nach dem überraschenden, nicht rechtskräftigen Freispruch eines steirischen Arztes, dem vorgeworfen wurde, seine Kinder jahrelang gequält zu haben, meldete die Staatsanwaltschaft am Montag Berufung gegen das Urteil von Richter Andreas Rom an.

Wie berichtet, sagten die heute erwachsenen Kinder aus, der Vater habe ihnen etwa immer wieder mit Selbstmord gedroht, sie gezwungen, Verdorbenes zu essen, oder sie medikamentenabhängig gemacht. Die Staatsanwaltschaft Graz erklärte in einer Aussendung am Montag, dass sie Berufung anmelde, weil aus ihrer Sicht "die Schlüssigkeit der Beweiswürdigung nur anhand der schriftlichen Urteilsausfertigung überprüft werden kann".

Vier Wochen

Die Ausfertigung gibt es aber noch nicht, der Richter hat für sie vier Wochen Zeit. Nur aus dem mündlichen Urteil sei es der Staatsanwaltschaft nicht möglich abzuleiten, "warum den Belastungszeugen vom Gericht nicht dieselbe Glaubwürdigkeit attestiert wurde" wie von der Staatsanwaltschaft, erklärte der Sprecher der Anklagebehörde Hansjörg Bacher dem STANDARD.

Die Kinder und die Exfrau des 54-jährigen Arztes, der der Bruder eines Spitzenpolitikers ist, gingen schon vor dem Prozess an die Öffentlichkeit, weil sie Angst vor einer politischen Intervention hatten. Aufgrund laut gewordener Kritik seitens der Anwältin der Kinder, die eine Sachverhaltsdarstellung wegen Amtsmissbrauchs gegen den Richter ankündigte, sowie des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser fühlte sich die Staatsanwaltschaft veranlasst, bei der Berufungsankündigung hinzuzufügen: "Daraus darf aber nicht abgeleitet werden, dass die Staatsanwaltschaft Graz die gegen den erkennenden Richter erhobenen Vorwürfe einer einseitigen Prozessführung teilt."

Entscheidung vielleicht erst im Jänner

Dass die Staatsanwaltschaft fristgerecht Berufung anmeldete, heißt noch nicht, dass sie diese auch ausführen wird. Das entscheidet sie nach Begutachtung des schriftlichen Urteils. Bei formalen Fehlern könnte wegen Nichtigkeit berufen werden. Sollte das Oberlandesgericht zum Schluss kommen, dass Beweismittel nicht genügend gewürdigt wurden, so Gerichtssprecherin Barbara Schwarz, kann der Fall aber auch vom OLG zurück in die erste Instanz gehen und vor einem neuen Richter neu verhandelt werden. Vor Jänner wird es darüber eher keine Entscheidung geben, so Schwarz. (Colette M. Schmidt, 3.10.2017)