Wien – Mehr Geld, mehr Exzellenz, weniger Bürokratie – auf den ersten Blick ähneln sich die Absichtserklärungen der wahlwerbenden Parteien, was Wissenschaft und Forschung angeht. Auf den zweiten Blick zeigen sich aber unterschiedliche Schwerpunktsetzungen, wie zusätzliche Mittel konkret in der Forschung eingesetzt werden sollen.

Pinke Positionierung: Eine Steigerung der Mittel für die Grundlagenforschung, eine Stärkung der Exzellenzforschung und eine "klare Positionierung" bei der EU-Ratspräsidentschaft bei den Verhandlungen zum Nachfolger des EU-Forschungsrahmenprogramms Horizon 2020 – diese drei Schwerpunkte sollte Österreich laut den Neos in den nächsten fünf Jahren im Bereich Wissenschaft und Forschung setzen.

Um den Wissenschaftsstandort Österreich zu stärken, empfiehlt Spitzenkandidat Matthias Strolz, den "Fokus auf die Steigerung privater Drittmittel sowohl im universitären Bereich als auch als Risikokapital für forschungsintensive und innovative Ableger" zu legen. Was den menschengemachten Klimawandel angeht, sieht Strolz "gerade über die Forschung den Hebel, hier große Fortschritte machen zu können".

Rote Querschnittsmaterie: Ginge es nach der SPÖ, sollten die Ausgaben für Forschung und Entwicklung in Österreich bis 2020 auf 3,76 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gesteigert werden – wie es die Strategie für Forschung, Technologie und Innovation (FTI) der Regierung aus dem Jahr 2011 vorsieht. Das würde den roten Plänen zufolge mit einer "substanziellen Erhöhung" sowohl der Gelder für Grundlagenforschung wie auch für angewandte Forschung einhergehen. Zur Stärkung des Wissenschaftsstandorts Österreich sehen die roten Pläne zudem die "ungehinderte Mobilität von wissenschaftlichem Personal und konsequente Orientierung an wissenschaftlicher Exzellenz" als zentral an.

Gender- und frauenspezifische Fragestellungen sind für SPÖ-Spitzenkandidat Christian Kern Querschnittsmaterie, die möglichst in allen Fächern integriert werden sollte. Als Beispiel nennt er die Gendermedizin: "Krankheiten bei Männern und Frauen manifestieren sich unterschiedlich, daher müssen Diagnose, Therapie und Medikation unter geschlechtsspezifischen Aspekten betrachtet werden."

Thema Genderforschung: Unter "Gendermedizin" wird insbesondere die geschlechtsspezifische Erforschung und Behandlung von Krankheiten verstanden.
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Grüne Klimaforschung: Auch die Grünen fordern für das Jahr 2020 3,76 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung. Insbesondere sei es wichtig, das Budget des Wissenschaftsfonds FWF anzuheben – geht es nach Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek, soll dieses gar "verdreifacht" werden. Weiters sprechen sich die Grünen dafür aus, die soziale Durchlässigkeit an den Hochschulen zu stärken, prekäre Dienstverhältnisse zu bekämpfen und das Personal an den Universitäten auszubauen, um die Studienbedingungen zu verbessern.

Forschung zum Klimawandel erachten die Grünen als sehr wichtig, denn "der Kampf gegen die Erderwärmung ist die größte Herausforderung unserer Generation, ja sogar in der Menschheitsgeschichte", sagt Lunacek. "Gelingt es uns nicht, den drohenden Klimakollaps abzuwenden, stehen alle anderen Errungenschaften der europäischen Moderne – soziale Absicherung, Frieden, wirtschaftlicher Wohlstand – auf dem Spiel", so die Begründung der Spitzenkandidatin.

Blaue Milliarde: Um den Wissenschaftsstandort Österreich im internationalen Vergleich zu stärken, empfiehlt die FPÖ, "Maßnahmen zu ergreifen, um österreichischen Spitzenforschern den Verbleib in der Heimat schmackhaft zu machen". Etwa durch "langfristige Finanzierungszusagen" oder den Aufbau von Exzellenzclustern.

Auch eine Verlängerung der Leistungsvereinbarungsperiode zur Finanzierung der Universitäten von drei auf fünf Jahre brächte laut Spitzenkandidat Heinz-Christian Strache "mehr Planungssicherheit für längerfristige Personalplanungen". Weiters solle mehr Geld sowohl in die Grundlagenforschung wie auch in die angewandte Forschung investiert werden – aus öffentlicher wie aus privater Hand. Eine Milliarde Euro an öffentlichen Mitteln für die Grundlagenforschung wird im freiheitlichen Wirtschaftsprogramm gefordert.

Schwarze Exzellenz: Neben SPÖ und Grünen hält auch die ÖVP laut Wahlprogramm am Plan fest, die Ausgaben für Forschung und Entwicklung auf 3,76 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu steigern. Allerdings betont die Partei, dass Österreich in der Spitzenklasse liege, wenn es um Investitionen in Forschung geht, in den Ergebnissen und der Effizienz bestünde dagegen noch Aufholbedarf. Weiters spricht sich die ÖVP in ihrem Programm für den Start einer Exzellenzinitiative aus. Im Sinne einer Entbürokratisierung soll zudem der "Wildwuchs der verschiedenen Förderinstrumente" bekämpft und der Aufwand für Antragstellung reduziert werden.

Kommunistische Gesellschaftskritik: Auch die KPÖ Plus spricht sich für mehr Mittel aus – sowohl für die Grundlagenforschung wie auch für die angewandte Forschung. Vor allem vier Schwerpunkte will die KPÖ Plus künftig gestärkt sehen: gesellschaftskritische Forschung, solidarisches Wirtschaften, erneuerbare Energien und Klimaschutz. Um den Wissenschaftsstandort Österreich zu stärken, empfiehlt die KPÖ Plus eine "ausreichende öffentliche Finanzierung der universitären und außeruniversitären Forschung" sowie eine "Stärkung sicherer, nichtprekärer Karrierewege" für Jungwissenschafterinnen und Jungwissenschafter.

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Zwischen den Parteien besteht Einigkeit, dass in Forschung und Wissenschaft prinzipiell mehr investiert werden sollte.
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Liste Pilz zu Forschung: Während die Grünen eine Verdreifachung der Mittel für den Wissenschaftsfonds FWF vorschlagen, spricht sich der Dekan der Fakultät für Informatik an der Technischen Universität Wien, Hannes Werthner, der für die Liste Pilz kandidiert, für eine Verdoppelung des FWF-Budgets aus. Neben einer Exzellenz-Initiative für österreichische Universitäten, fordert Werthner das Forcieren von "hochriskanter Grundlagenforschung". Was sein eigenes Fach angeht, spricht sich Werthner für das "Erkennen der Bedeutung der digitalen Transformation" aus – dafür brauche es entsprechende Initiativen wie "50 zusätzliche Professuren in der Informatik und ihren Schnittstellen".

Die Genderforschung hält Werthner für ein sehr wichtiges Querschnittsthema, sowohl was den Frauenanteil in den verschiedenen Disziplinen und akademischen Karrierestufen angeht, wie auch in den Forschungs- und Lehrinhalten selbst. Weiters zählen langfristigere universitäre Karrieremöglichkeiten für Jungwissenschafterinnen und Jungwissenschafter zu den Forderungen der Liste Pilz.

Expertenmeinung: Für den Hochschulforscher Hans Pechar von der Universität Klagenfurt wäre die wichtigste Maßnahme, um die Universitäten zu stärken, die Studienplatzfinanzierung flächendeckend umzusetzen. Weiters spricht auch er sich für die Verbesserung der Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses aus. "Der Trend zu den prekären Beschäftigungen muss gestoppt werden", sagt Pechar. Zusätzliche Laufbahnstellen sollten geschaffen werden. (Tanja Traxler, Daniela Yeoh, 6.10.2017)