Ein Bild des Teams aus den frühen Jahren.

Foto: Rat auf Draht

Wien – Als alles begann, war Rat auf Draht noch kein Rund-um-die-Uhr-Notruf. Der Beratungsdienst verzeichnete auch noch deutlich weniger Anrufe als heute. Probleme wie Cybermobbing, Sexting oder Grooming kamen für Kinder und Jugendliche zudem erst rund zwei Jahrzehnte später durch Smartphones und Internet auf. Aber vieles hat sich seit der Gründung am 3. Oktober 1987 nicht geändert: Damals wie heute waren und sind die geschulten Berater an den Telefonen mit jungen Anrufern konfrontiert, die Liebeskummer haben, unter Konflikten in der Familie, mit Freunden oder in der Schule leiden, großen Leistungsdruck und Ängste verspüren und Fragen zur Sexualität stellen.

"Es sind mit der Zeit sukzessive mehr Anfragen geworden, die Zahl hat sich auf einem hohen Niveau eingependelt – wobei es am Telefon in der Vergangenheit auch schon zeitweise mehr waren", sagt Birgit Satke, Leiterin von Rat auf Draht. Denn heute nähmen schriftliche Anfragen via Chat oder E-Mail zu.

68.000 Kinder und Jugendliche riefen 2016 an, täglich finden im Schnitt 170 Beratungsgespräche statt. 3100 Onlineberatungen gab es im Vorjahr. Seit 1999 ist Rat auf Draht unter der Nummer 147 rund um die Uhr erreichbar. Außerdem betreut das Büro auch die – in Österreich wenig bekannte – europäische Hotline 116000 für vermisste Kinder.

Zunahme bei Suizidgedanken

Eine deutliche Zunahme verzeichnet der Telefondienst laut Satke bei den Anrufen, die wegen Suizidgedanken erfolgen (im Schnitt zwei pro Tag), und bei der Anzahl an Jugendlichen, die langfristig durch Krisen begleitet werden. Es gebe aber auch weniger ernste Situationen: Etwa wenn ein noch recht junger Anrufer sich meldet und sagt, er brauche rasch Geld für ein Muttertagsgeschenk, wie er sich das denn nun verdienen könne. Ab und zu melde sich auch jemand mit positivem Feedback. "Das gibt einem ein Gefühl der Wertschätzung", so Satke.

Was zu diesem Gefühl wohl kaum beiträgt, ist der Umstand, dass sich die öffentliche Hand zunehmend aus der Finanzierung zurückziehe, wie Geschäftsführerin Nora Deinhammer kürzlich der Austria Presse Agentur sagte. 714.810 Euro kostete das Betreiben der Hotline 2016. SOS Kinderdorf hat Rat auf Draht 2014 vom ORF übernommen und schoss laut Jahresbericht im Vorjahr 248.000 Euro zu. Die Verantwortung werde zwischen den Ressorts, Bund und Ländern hin- und hergeschoben, sagte Deinhammer.

Such nach Geldgerbern

Man suche nach Geldgebern, um den Beratungsservice langfristig zu sichern. Vier Ministerien und acht Bundesländer unterstützen den Notruf. Als einziges Bundesland fehlt: Wien. Wien zahle seit 2014 keine Förderungen mehr, obwohl 30 Prozent der Anrufe von dort kämen, heißt es auf Nachfrage bei Rat auf Draht.

Im Büro von Stadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) heißt es, Wien habe "fünf Jahre lang als einziges Bundesland 25 Prozent der Kosten getragen", andere Bundesländer seien erst später eingestiegen. Wien habe ein umfassendes Angebot für Kinder und Jugendliche, um eine Parallelfinanzierung zu vermeiden, sei die Stadt 2014 bei Rat auf Draht ausgestiegen.(Gudrun Springer, 3.10.2017)