Eines dürfte niemand anzweifeln: Die Familie jenes steirischen Arztes, der vor Gericht stand, weil ihm seine vier Kinder vorwerfen, sie jahrelang gequält zu haben, dürfte absolut zerrüttet sein. Der Schritt, gegen den eigenen Vater vor Gericht zu ziehen, ist keiner, den man leichtfertig beschließt. Die Feststellung des Richters, "Ihre Familie hasst Sie", dürfte nach den verstörenden Aussagen der heute erwachsenen Kinder wohl zutreffen. Vor allem aber dürften sie große Angst vor dem Vater haben.

Von Anfang an herrschte ein großes Interesse an dem Fall, weil der Beschuldigte der Bruder eines Spitzenpolitikers ist. Die Sorge bezüglich politischer Interventionsversuche haben die Kinder stets artikuliert. Groß war dann die öffentliche Empörung über den Freispruch durch den Richter. Dieser hat aber auch bei einem Promibruder mit demselben Maß zu messen wie bei jedem anderen.

Der Bruder eines Politikers darf nicht geschützt werden. Es kann aber auch nicht sein, dass er verurteilt wird, obwohl der Richter nicht genug Beweise sieht, nur weil die Öffentlichkeit seinen Kopf fordert. Ein Mann, der seine Familie manipuliert und unglücklich macht, ja sogar das Seelenheil der Kinder nachhaltig beschädigt, kann trotzdem strafrechtlich nicht schuldig sein. Dass die Staatsanwaltschaft nun Berufung angemeldet hat, ist auf jeden Fall beruhigend. Sollten tatsächlich Beweise nicht genügend gewürdigt worden sein, gibt es nun eine zweite Chance. (Colette M. Schmidt, 2.10.2017)