Kein Zweifel: Es waren schockierende Bilder von katalonischen Wahllokalen, die am Sonntag die Bürger und Partnerstaaten in Europa erreichten. Polizisten in Kampfanzügen, die jungen engagierten Spaniern die Köpfe blutig schlagen, weil diese für die Abspaltung vom Königreich eintreten, das ist völlig unakzeptabel.

Zu Recht wird Mariano Rajoy daher für seinen Mangel an Fingerspitzengefühl kritisiert. Die Unfähigkeit des konservativen Premiers der Zentralregierung in Madrid sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sein Gegenspieler, Carles Puigdemont, um nichts besser ist. Der Regionalpräsident ist ein unsolidarischer Scharfmacher, ein Separatist, der Emotion "gegen die da oben" geschickt nutzt.

Man kennt diese Methode aus anderen Regionen, von radikalen flämischen Separatisten der N-VA in Belgien etwa. Niemand braucht Spaltung und Hass mitten in Europa. Puigdemonts Referendum ist illegal, verstößt gegen die Verfassung. Die Katalanen mögen mehr wollen als das, was sie an Autonomie bereits haben: Zu behaupten, sie würden im eigenen Land unterdrückt (was Abspaltung per Selbstbestimmung völkerrechtlich rechtfertigen würde), ist glatte Irreführung. Ganz Spanien wurde seit dem EU-Beitritt 1986 wohlhabender, Katalonien sogar relativ reich. EU-Recht und Grundrechtecharta schützen jeden spanischen Bürger, auch die Katalanen. Brüssel sollte Puigdemont und Co also nicht auf den Leim gehen – aber vermitteln. (Thomas Mayer, 2.10.2017)