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Die Liste jener Branchen mit Fachkräftemangel, im Bild ein Dachdecker auf einem Kupferdach, wird mit dem wirtschaftlichen Aufschwung immer länger.

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Wien – Gerber, Dachdecker, Fräser, Justizwachebeamte: Sie alle sind in Österreich heißbegehrt. In all diesen Berufen gibt es beim Arbeitsmarktservice (AMS) derzeit deutlich mehr offene Stellen als gemeldete Arbeitslose. Die Tätigkeiten führen die vom AMS erstellte Liste mit Mangelberufen an. Ob sich die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage rasch schließen wird, ist zweifelhaft.

Der wirtschaftliche Aufschwung in Österreich wirkt sich auf dem Arbeitsmarkt immer stärker aus. Die Arbeitslosenquote sank im September um 0,6 Prozentpunkte auf 7,5 Prozent. Laut AMS handelt es sich um den niedrigsten Septemberwert seit 2013.

Eine Folge aus der Kombination von sinkenden Arbeitslosenzahlen und brummender Konjunktur ist, dass die Liste mit Mangelberufen länger wird. Als Mangelberuf gelten Tätigkeiten, für die beim AMS pro gemeldete offene Stelle höchstens 1,5 Arbeitssuchende vorgemerkt sind. Aktuell umfasst die Liste fast 60 Berufe. Vor einem Jahr waren es 36 Berufe, vor eineinhalb Jahren gerade acht. "Die Beschwerden über einen Fachkräftemangel werden wieder lauter", sagt AMS-Chef Johannes Kopf auf Basis von Gesprächen mit Unternehmern aus den vergangenen Wochen. Bestimmte Berufsgruppen wie die Dachdecker finden sich häufig auf der Mangelliste. Zuletzt sei der Fachkräftemangel in der Industrie zusehends spürbar gewesen, etwa in der Metallbranche. Das Problem sei im Westen ausgeprägter als im Osten.

Jobmangel im Westen

Wenn Unternehmer bestimmte Qualifikationen auf dem Arbeitsmarkt nachfragen, aber nicht genug Leute finden und die Arbeitslosigkeit deshalb hoch bleibt, sprechen Experten von "struktureller Arbeitslosigkeit". Wie groß das Problem in Österreich ist, ob Unternehmer längerfristig unter ihrem Leistungspotenzial bleiben, ist schwer einschätzbar.

Helmut Mahringer vom Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo sagt, man solle die Herausforderungen auf dem Jobmarkt durch den Strukturwandel nicht kleinreden. "In bestimmten technischen Berufen, die eine hohe Qualifikation erfordern, gibt es Nachwuchsprobleme", sagt Mahringer. Hier wären Initiativen von Unternehmen und Ausbildungsinstitutionen notwendig, um mehr junge Menschen für die Branchen zu gewinnen. "Das Nachwuchsproblem könnte in vielen Fällen durch eine Erhöhung des Frauenanteils gelöst werden", sagt Mahringer.

Umschulung als Alternative

Für einen dynamischen Arbeitsmarkt wie jenen in Österreich sei es aber nicht ungewöhnlich, dass in einer Phase, in der die Konjunktur anzieht und mehr offene Stellen zu vergeben sind, die Zahl der Mangelberufe hochschießt. Unternehmer, die freie Stellen nicht sofort besetzen können, haben schnell den Eindruck, es gebe kein Fachpersonal. "Die Beschwerden können sich dann hochschaukeln", sagt Mahringer. In der Regel brauchen Firmen etwas Zeit, bis sie bereit sind, die "zweitbeste Lösung" zu akzeptieren. Das kann zum Beispiel so aussehen, dass ein Konzern weniger qualifizierte Mitarbeiter einstellt, die dann umgeschult werden. Dann sinkt die Zahl der Mangelberufe.

Hinzu kommt ein weiteres Problem, das laut Mahringer mit fehlender Qualifikation nicht zusammenhängt: Ältere Menschen haben es zusehends schwer, eine Stelle zu finden, weil Unternehmen jüngere Bewerber prinzipiell bevorzugen. Auch dass könne dazu beitragen, dass offene Stellen schwerer zu besetzen sind, so der Experte. (András Szigetvari, 3.10.2017)