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Der gebürtige Berliner Rainer Weiss lernte Thorne 1975 kennen, seither haben die beiden Pläne zur Messung von Gravitationswellen geschmiedet. Nach 40 Jahre sollte das Vorhaben gelingen.

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Kip Thorne hat als theoretischer Physiker am California Institute of Technology (Caltech) Karriere gemacht. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde er als wissenschaftlicher Berater des Science-Fiction-Films "Interstellar" bekannt.

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Der Experimentalphysiker Barry Barish hat das entscheidende Upgrade des Gravitationswellen-Observatoriums Ligo in die Wege geleitet.

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Stockholm/Wien – Wie im Vorfeld weithin erwartet, wurde am Dienstag der diesjährige Physiknobelpreis den führenden Köpfen des Nachweises von Gravitationswellen zugesprochen. Die Gründerväter des US-amerikanischen Laser Interferometer Gravitational-Wave Observatory (Ligo), Kip Thorne und Rainer Weiss, dürfen sich gemeinsam mit dem langjährigen Ligo-Direktor Barry Barish über die höchste wissenschaftliche Auszeichnung freuen. Der Preis geht zu einer Hälfte an Weiss, zu je einem Viertel an Thorne und Barish.

Die drei Wissenschafter erhalten den Nobelpreis für "ihre entscheidenden Beiträge zum Ligo-Detektor und die Messung von Gravitationswellen", sagte Göran Hansson, der Vorsitzende des Nobelkomitees. "Es war ein Ereignis, das die Welt erschüttert hat."

Wissenschaftliches Großprojekt

In einer ersten Reaktion am Telefon sagte Rainer Weiss der Nobeljury in Stockholm, es gehe ihm zu dieser frühen Stunde ausgezeichnet: "Ich bin sogar angezogen!" Er betrachte "die Auszeichnung als Würdigung der Arbeit von Tausend Menschen", die alle dazu beigetragen hätten, die Technologie zu entwickeln. "Es ist wirklich aufregend, dass das Experiment schließlich gelungen ist." Als es nach 40-jähriger Arbeit so weit war, habe er es zunächst gar nicht glauben können, erst nach zwei Monaten sei er überzeugt gewesen, dass das Messergebnis tatsächlich echt war und aus dem Weltraum kam.

Unter den zahlreichen mitwirkenden Forschern ist auch der österreichische Physiker Sascha Husa, der an der Universität der Balearen in Palma de Mallorca tätig ist. "Es ist der Verdienst einer großen Community", sagte Husa am Dienstag. "Auch wenn man den Nobelpreis nicht persönlich bekommt, ist das ein Grund für große Freude. Es zeigt, dass dieser Durchbruch gewürdigt und für wichtig erkannt wird." Neben Husa waren auch die aus Österreich stammenden theoretischen Physiker Michael Pürrer, Patricia Schmidt, Gernot Heißel und Reinhard Prix an dem Projekt beteiligt.

Revolutionäre Messung

Der erste direkte Nachweis von Gravitationswellen wurde am 14. September 2015 an den Ligo-Detektoren in Livingston, Louisiana, und Hanford, Washington, erbracht. Die sich wellenförmig ausbreitenden Stauchungen und Dehnungen in der Struktur von Raum und Zeit waren bei der Verschmelzung von zwei Schwarzen Löchern vor 1,3 Milliarden Jahren entstanden.

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Diese Illustration zeigt zwei Schwarze Löcher, die sich gegenseitig umkreisen und immer näher kommen, bis sie schließlich verschmelzen – dabei entstehen Gravitationswellen.
Foto: Picturedesk/ Science Photo Library

Neues Sinnesorgan

Im Februar 2016 wurde der erste Nachweis nach monatelangen Überprüfungen der Daten schließlich bekannt gegeben. Schnell war damals von einer "neuen Ära der Astronomie" die Rede. Vor der Messung von Gravitationswellen stammten die Informationen, die wir über das Universum besitzen, großteils von elektromagnetischen Wellen und teilweise auch von kosmischen Teilchen. Die Messung von Gravitationswellen ermöglichte auch den ersten direkten Nachweis für die Existenz Schwarzer Löcher und wird von Astrophysikern als weiteres Sinnesorgan für den Kosmos gefeiert.

In den vergangenen zwei Jahren haben Ligo-Forscher von drei weiteren Messungen berichtet. Zuletzt wurden Gravitationswellen vergangene Woche von Ligo und zum ersten Mal auch vom europäischen Gravitationswellen-Detektor Virgo bei Pisa gemessen.

Schwierige Messung

Das Grundprinzip dieser Detektoren ist vergleichsweise einfach: Ein Laserstrahl wird in Teilstrahlen aufgespaltet und in zwei lange Röhren geleitet, die senkrecht aufeinander stehen. Am Ende dieser exakt gleich langen Röhren werden die Lichtwellen von einem Spiegel reflektiert und zum Ausgangspunkt zurückgeworfen. Im Normalfall sollten sich diese Strahlen aufheben und es würde kein Signal gemessen werden.

Verzerrt jedoch eine Gravitationswelle die Raumzeit, variiert dadurch die Länge der beiden Röhren minimal – und die Physiker messen ein Signal. Im Fachjargon spricht man dabei von einem Interferenzexperiment. Was die Detektion allerdings so schwierig macht, ist ihr vergleichsweise geringer Effekt und die dadurch bedingte extreme Genauigkeit der Messungen.

Eine Nacht in Washington

Die Pläne für Ligo reichen bis ins Jahr 1975 zurück. Kip Thorne, Theoretiker am California Institute of Technology (Caltech), und Rainer Weiss, Experimentalphysiker am Massachusetts Institute of Technology (MIT), mussten sich bei ihrem ersten Treffen während einer Konferenz in Washington ein Hotelzimmer teilen. Angeblich hätten sie damals die Nacht durchgemacht, um darüber zu diskutieren, wie die Allgemeine Relativitätstheorie getestet werden und wie man am besten Gravitationswellen nachweisen könnte.

Kurze Zeit später holte Thorne den schottischen Experimentalphysiker Ronald Drever, der zuvor an der Universtität Glasgow tätig gewesen war, ans Caltech, um das Gravitationswellen-Projekt voranzutreiben. Wäre Drever nicht vergangenen März gestorben, hätte er sich ebenfalls große Chancen auf die Auszeichnung ausrechnen dürfen.

"Verstand verloren"

Weiss versuchte zunächst, unabhängig von Thorne und Drever ein Gravitationswellen-Projekt am MIT zu starten. Doch die US-amerikanische Forschungsförderagentur National Science Foundation (NSF) empfing seine Pläne nicht unbedingt mit offenen Armen: "Jeder glaubte, wir hätten den Verstand verloren", erinnerte sich Weiss später an die Reaktion des NSF zu seinen Plänen.

Schließlich empfahl der NSF 1984 den beiden Teams, sich zusammenzuschließen. Doch unter der ersten Direktoren-Troika Thorne, Weiss und Drever nahm das Projekt nie richtig Fahrt auf – wohl auch bedingt durch ständige Unstimmigkeiten zwischen Weiss und Drever. So wurde das Trio 1987 durch den alleinigen Direktor Rochus Vogt ersetzt.

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Das Ligo-Observatorium in Hanford, Washington.
Foto: REUTERS/Caltech/MIT/LIGO Laboratory

Physik und Hollywood

Kip Thorne, der 1940 in Logan, Utah, geboren wurde, ist übrigens durch den Science Fiction-Film "Interstellar" einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden. Er war nicht nur wissenschaftlicher Berater der Hollywood-Produktion, sondern verfasste dazu auch ein wissenschaftliches Begleitbuch.

Rainer Weiss, geboren 1932 in Berlin, hat sich zu Beginn seiner Karriere vor allem mit Atomphysik und der Entwicklung von Atomuhren befasst. Als Pionier der Messung der Kosmischen Hintergrundstrahlung machte er sich in den 1970er Jahren in der Fachwelt einen Namen.

Entscheidende Weichenstellungen

Bis sich am Ligo schließlich Erfolge einstellten, sollte es noch Jahrzehnte dauern. Der Durchbruch hat vor allem auch mit Barry Barish zu tun, der 1997 bis 2005 Direktor des Ligo war. Der US-amerikanische Experimentalphysiker, der 1936 in Omaha, Nebraska, geboren wurde, übernahm das Projekt in einem Moment, als es mehr oder weniger vor dem Aus stand. Durch die Umstrukturierung des Ligo-Forscherverbundes und das Upgrade des Observatoriums, das er in die Wege leitete, ebnete er den Pfad, der schließlich zum Erfolg führte.

Wie es der Zufall so will, wurde die erstmalige Messung von Gravitationswellen fast genau 100 Jahre nach deren theoretischen Vorhersage bekanntgegeben: 1916 leitete der Physiker Albert Einstein die sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitenden Störungen der Raumzeit aus seiner Allgemeinen Relativitätstheorie ab. Im Laufe der Jahre sollte er darüber aber mehrfach seine Meinung ändern. (Tanja Traxler, 3.10.2017)