Der 64-jährige Pensionist Stephen Paddock hat am Sonntag aus einem Hotelzimmer in Las Vegas in die Besuchermenge eines Musikfestivals geschossen. Zumindest 59 Menschen starben, die Polizei spricht von über 500 Verletzten.

Die Terrororganisation "Islamischer Staat" reklamierte die Tat zwar für sich, tatsächlich sind die Hintergründe bislang aber völlig unklar. Schnell begann nach der Schießerei ein Schwall an Falschnachrichten im Netz zu kursieren. Und einmal mehr versagten Facebook und Google dabei, ihre rasante Verbreitung rechtzeitig einzudämmen, berichten Engadget und Buzzfeed.

Falsche Vermisste und Verdächtige

Zahlreiche anonyme Nutzer verbreiteten Fotos von Personen und behaupteten, diese seien seit dem Vorfall in Las Vegas abgängig. Tatsächlich handelte es sich dabei oft um Bilder zufälliger Nutzer von sozialen Netzwerken oder Aufnahmen bekannter Persönlichkeiten. Unter anderem kursierte in diesem Zusammenhang ein Foto des deutschen Fußballstars Mesut Özil auf Twitter.

Foto: Twitter

Auch willkürliche Behauptungen über die Identität des Attentäters wurden aufgestellt. In einer Falschnachricht hieß es etwa, er sei als "der 32-jährige, zum Islam konvertierte Samir Al-Hajeed" identifiziert worden. Ein Foto des angeblichen Schützen wurde beigefügt, zeigt aber eigentlich den Comedian Sam Hyde.

Der Verbreiter dieses Bildes, der sich in seinem Profil als Trump-Unterstützer positioniert, erklärte im Nachhinein, er habe nur aufzeigen wollen, wie "falsch" die Medien heutzutage berichten würden.
Foto: Twitter

4chan startet Jagd auf Trump-kritischen Facebook-Nutzer

Besonders hohe Reichweite hat allerdings eine Verschwörungstheorie rund um einen Facebook-Nutzer namens Geary Danley erhalten. Er ist auf Facebook mit Marilou Danley befreundet, die von der Polizei für kurze Zeit gesucht wurde, da sie mit Paddock zusammengelebt haben soll. Es stellte sich heraus, dass sie zum Zeitpunkt des Attentats allerdings nicht einmal in den USA war.

Dass Danley eine Reihe von Trump-kritischen Seiten gelikt hat, dürfte rechten Trollen ein Dorn im Auge gewesen sein. In den anonymen Foren von 4chan wurde die Theorie verbreitet, dass er der Attentäter von Las Vegas sei. Diesem Narrativ folgte auch das reichweitenstarke rechtsextreme Portal Gateway Pundit mit einer entsprechenden Geschichte.

Facebook und Google versagten

Der nunmehr entfernte Artikel fand auf Facebook rege Verbreitung. Er wurde allerdings nicht nur von Nutzern geteilt, sondern auch von Facebooks Algorithmus, der speziell Nachrichten und andere Informationen zu aktuellen Krisenfällen liefert, aufgegriffen. Somit wurde er auch zahlreichen Nutzern außerhalb der üblichen Kreise eingeblendet. Dabei ist Gateway Pundit als Quelle für "Fake-News" längst bekannt – auch "Pizzagate", eine im Präsidentschaftswahlkampf lancierte Verschwörungstheorie über hochrangige Demokraten, die einen Kinderpornoring in einer Washingtoner Pizzeria betreiben sollen, wurde dort verbreitet.

Foto: Gateway Pundit

"Unser Global Security Operations Center hat diese Postings an diesem Morgen entdeckt und wir haben sie entfernt. Leider erfolgte die Löschung verspätet, was dazu geführt hat, dass Screenshots erstellt und weiter verbreitet wurden", heißt es von Facebook. Warum die Geschichte überhaupt so stark in Umlauf geraten konnte, wollte man nicht beantworten. Das zugrundeliegende Problem solle aber behoben werden.

Auch bei Google lief es nicht besser. Dort landete der 4chan-Thread zur Verschwörungstheorie über Geary Danley in den "Top Stories". Die Auskunft des IT-Riesen zu diesem Lapsus ist allerdings auch vage gehalten. Man habe "kurzzeitig eine inakkurate 4chan-Webseite in einer kleinen Anzahl an Suchanfragen angezeigt". Verbesserungen des Algorithmus sollen das in Zukunft vermeiden.

Attentäter soll "linker" Hintergrund angedichtet werden

Derweil werden weiterhin neue Verdachtsmomente ohne faktischem Hintergrund geschürt. Rechte Trolle versuchen nun, Paddock einen politisch linken Hintergrund anzuhängen. So teilte die Facebook-Seite "Melbourne Antifa" ein Video aus Las Vegas mit den Worten "einer unserer Kameraden […] hat diese faschistischen Trump-unterstützenden Hunde zahlen lassen." Der mittlerweile gelöschte Eintrag (hier noch im Google Cache abrufbar) schlug große Wellen in rechten Facebook-Communities, bei der Seite, die regelmäßig politisch extreme Inhalte teilt, dürfte es sich allerdings um einen Fake handeln.

Foto: Youtube

Ein Youtuber will derweil Paddock auf einem Video von einer Demonstration gegen Trump im vergangenen August gesichtet haben. Die darauf zu sehende Person ist aufgrund der schlechten Aufnahmequalität aber seriöserweise nicht identifizierbar. Zudem gibt es bis jetzt keinen Hinweis darauf, dass sich der Attentäter jemals politisch betätigt hat. (gpi, 3.10.2017)