Bundespräsident Alexander Van der Bellen empfing am Dienstag die Vertreter der in Österreich gesetzlich anerkannten Kirchen.

Wien – Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat erstmals die Vertreter der in Österreich gesetzlich anerkannten Kirchen gemeinsam empfangen. Bei der traditionellen Zusammenkunft in der Hofburg erinnerte er die Geistlichen an deren gesellschaftliche Verantwortung.

Zwar seien Religionsgemeinschaften dem pauschalen Vorwurf der Rückständigkeit ausgesetzt, zudem wüssten viele Menschen mit Transzendenz "nichts oder nichts mehr anzufangen", sagte das Staatsoberhaupt bei dem Empfang in der Hofburg, dem er erstmals seit seiner Wahl gab. "Aber die Wissenschaft hat ihre Grenzen und es wird bei allem Fortschritt wohl immer Bereiche der menschlichen Existenz geben, in denen die Wissenschaft nicht weiterhilft." Für Van der Bellen leisten die Religionen einen wertvollen Beitrag für den Zusammenhalt der Gesellschaft und Bewusstseinsbildung, etwa durch Kapitalismus-Kritik und den Einsatz für den Umweltschutz.

Staatliche Rechtsordnung hat Vorrang

"Mit Recht nehmen die gesetzlich anerkannten Religionsgesellschaften für sich auch in Anspruch, ihre Meinung zu politisch kontroversiellen Fragen öffentlich zu äußern", nannte Van der Bellen Themen wie Sterbehilfe, Abtreibung, Homosexualität und Familienrecht. Der Bundespräsident stellte aber klar, dass die staatliche Rechtsordnung immer Vorrang gegenüber den Vorstellungen der Religionsgesellschaften habe.

Die Religionsgemeinschaften verfügten zudem "über eine sehr scharfe Waffe, nämlich die Einflussnahme auf das Gewissen ihrer Gläubigen". Dieses Instrument müsse "verantwortungsvoll und im Sinne unserer demokratischen Rechtsordnung" genützt werden, mahnte Van der Bellen.

Ethikunterricht nur als Alternative

Kardinal Schönborn griff die Worte des Präsidenten auf. "Die Religionsgemeinschaften müssen lernen, sich manchmal auch etwas zu sagen lassen von der Zivilgesellschaft", sagte er in Richtung aller eingeladenen Vertreter in der Hofburg. Van der Bellen habe alle erinnert, den Weg des Gemeinsamen nicht zu verlassen. Der derzeitige Zustand des Miteinander und die Beachtung der Grundwerte sei nicht immer selbstverständlich gewesen. Schönborn ging auch auf die Diskussion über einen allgemein verbindlichen Ethikunterricht an den Schulen ein. Es sei nicht primäre Aufgabe des Staates, Ethos zu vermitteln, meinte er und sprach sich erneut für ein solches Fach als Alternative zum Religionsunterricht aus.

Auch auf das Reformationsjubiläum ging Schönborn – in Anwesenheit der evangelischen Kirchenspitzen – ein. Lange habe es gebraucht, gegenseitige Toleranz zu entwickeln. Nach kriegerischen Auseinandersetzungen habe man schließlich aber doch den Weg der Ökumene gefunden. Und auch an die Kernaufgabe aller Kirchen und Glaubensgemeinschaften erinnerte der Wiener Erzbischof: Menschen in Not zu helfen. (APA, 3.10.2017)