STANDARD: Bisher haben Sie betont, dass Ex-SPÖ-Berater Tal Silberstein wegen Ihrer Menschenkenntnis bei Ihnen "keinen Fuß in die Tür bekommen" habe. Ist das nicht Geschichtsklitterung - wo er Ihre Wiener Partei im Wahlkampf 2015 beraten hat?

Strolz: Das habe ich auch nie bestritten. Für mich als Chef der Neos war Silberstein im Bund jedoch nie tätig – obwohl es bei uns diese Diskussion gab. Aber ich habe die mit einem klaren Nein beendet.

STANDARD: Hat Beate Meinl-Reisinger als Chefin der Wiener Neos zu wenig Menschenkenntnis gehabt?

Strolz: Fest steht, dass die Beratungstätigkeit von Silberstein für die Wiener Neos in eine andere Zeit fiel – erst danach sind die Vorwürfe der rumänischen Korruptionsbehörde aufgetaucht.

Auch Strolz will Angebote für Dirty Campaigning erhalten haben – seine Antwort: "Hauts euch über die Häuser!"
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STANDARD: Unter anderen besteht gegen eine Expressesprecherin der Neos Wien der Verdacht, die ungustiösen Facebook-Seiten mit rassistischen und antisemitischen Inhalten gegen ÖVP-Chef Sebastian Kurz bespielt zu haben.

Strolz: Dass einzelne Leute von Silberstein davor auch punktuell bei uns aktiv waren, kann ich nicht dementieren. Das war so – und diese Leute sind bei uns auf einer No-Go-Liste wegen der niederträchtigen Affäre. Solche Typen müssen raus aus der gesamten Politik, weil sie mit ihren Methoden dem Land schaden.

STANDARD: Haben Sie auch schon schmutzige Angebote bekommen?

Strolz: Natürlich, immer wieder. In der Gründungsphase der Neos wollten mir Leute Geld zustecken, das über die Kanalinseln geschleust werden sollte. Auch gab es Berater, die sagten: "Du musst Dirty Campaining machen, das ist Standard!" Dazu gab es Angebote, das kann man alles über E-Mails und Konten über albanische Server machen. Aber nicht mit uns, nicht mit mir. Ich habe denen immer gesagt: "Hauts euch über die Häuser!"

STANDARD: Sind Sie für eine unabhängige Untersuchung – können Sie sich auch einen U-Ausschuss zur Causa Silberstein vorstellen?

Strolz: Vorstellbar. Der Kollateralschaden ist gewaltig. Wir Politiker stehen durch diese Affäre unter Generalverdacht, wir seien alles Gauner. Ich bin kein Gauner, ich kann nicht einmal lügen. Und was derzeit alles an Gerüchten über gestohlene und verkaufte Daten von E-Mail-Verkehren im Umlauf ist, wird uns wohl noch lange beschäftigen, nicht nur die Verwicklungen der SPÖ. Der Wahlkampf von Kurz ist eine große Show. Das ist unter zehn Millionen Euro nicht machbar. Auch die Wahlkampffinanzierung sollte in einem allfälligen U-Ausschuss Thema werden.

STANDARD: Mailen Sie selbst noch?

Strolz: Natürlich – obwohl man dabei fast die Paranoia bekommen könnte. Genauso ergeht es einem bei Telefonaten. Deswegen müssen wir hier sehr aufpassen – Stichwort Bundestrojaner -, welche Werkzeuge wir dem Innenminister in die Hand geben. Bei der Gründung der Neos hat mir der damalige Generalsekretär der ÖVP (Johannes Rauch, Anm.) ausrichten lassen: "Den Strolz bringen wir um in zwei Tagen – und das Dossier dafür haben wir schon im Schrank." Offensichtlich hatten sie keines, ich lebe noch. Aber solche Drohungen zeigen, was man mit manipulativen Material alles anrichten könnte. Daher werden die Neos auf die Bürgerrechte auch künftig sehr achtgeben.

STANDARD: Im Vorjahr haben Sie mit Kurz wegen einer gemeinsamen Wahlbewegung Gespräche geführt. Drohen die Neos aus machtpolitischem Kalkül nicht in die Beliebigkeit abzurutschen?

Strolz: Die Beliebigkeit liegt bei Kurz vor. Er hat viele Positionen aufgegeben, die vor nicht langer Zeit für ihn klar waren: Ehe für alle, dasselbe gilt für die Zwangsmitgliedschaft bei den Kammern oder die Abschaffung des Bundesrats. Das alles will er nicht mehr. Und was will Kurz für Europa? Er ist elegant und aalglatt wie Karlheinz Grasser früher. Aber wird er sich europapolitisch an Ungarns Premier Viktor Orbán anlehnen, wofür es Indizien gibt?

STANDARD: Bei Kurz kritisieren Sie viele inhaltliche Diskrepanzen, wäre es mit Kern leichter?

Strolz: Auch hier gibt es Unterschiede, einmal will er Start-up, einmal will er Klassenkampf – der Kanzler war eine große Hoffnung, aber jetzt ist er Dead Man Walking. Der rote Brutus Hans Peter Doskozil wird nicht nur fett im Burgenland plakatiert, er gibt auch eine Biografie im Wahlkampf heraus. Es ist ein Elend, wenn Kurz und Doskozil bald in Panzern am Brenner hocken. Das macht Österreich eng, richtig eng.

Strolz: "Es ist ein Elend, wenn Kurz und Doskozil bald in Panzern am Brenner hocken. Das macht Österreich eng, richtig eng."
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STANDARD: Im TV-Duell mit FPÖ-Chef Strache zeigte sich Ihre Listenzweite Irmgard Griss bei Teilen des Programms der Neos unwissend. Wie kann so etwas passieren?

Strolz: Das kennt sie schon. Aber wir haben viele Lösungsansätze für das Land. Was hat Moderator Tarek Leitner gemacht? Absätze herausgegriffen, bei denen Griss möglicherweise andere Akzentuierungen wählen würde. Das war ziemlich daneben.

STANDARD: Es gehört zur Aufgabe von Journalisten nachzubohren.

Strolz: Er sollte in dieser Sendung aber ein Duell leiten und nicht ein Programmprüfungsquiz veranstalten.

STANDARD: Das Wahlrecht für alle, die hier leben, zu fordern, klingt eben radikal.

Strolz: Wir werden diese Position, die fünf Jahre alt ist, ändern – weil damals das Problem mit den türkischen Doppelstaatsbürgern als Kampfinstrument für Präsident Recep Tayyib Erdogan noch nicht bekannt war. Das Wahlrecht soll es nur für EU-Bürger geben.

STANDARD: Hat der Kurswechsel auch mit den Flüchtlingen zu tun?

Strolz: Jeder, der sagt, mein Blick auf das Thema Asyl ist exakt derselbe wie vor fünf Jahren, der saß im Wandschrank. Wir können Leute bei einem Helene-Fischer-Konzert registrieren, nicht aber an der Staatsgrenze. Das war Staatsversagen im großen Stil.

STANDARD: Warum stemmen sich die Neos gegen eine Frauenquote?

Strolz: Wir sind Freunde der Freiheit, deswegen ist ein Zwangsinstrument – wie auch die Pflichtmitgliedschaft in den Kammern – für uns das letzte Mittel, wenn davor nichts funktioniert hat.

STANDARD: Für typische Frauenberufe wollen Sie statt der niedrigen Kollektivverträge Betriebsvereinbarungen. Sie glauben doch nicht tatsächlich, dass der Markt fairer ist als die von Sozialpartnern ausverhandelten Löhne?

Strolz: Doch! Das glaube ich. Betriebsvereinbarungen haben eine andere Art von Ausverhandlungskultur. Es ist sehr viel unmittelbarer. Weil Betriebsvereinbarungen nie anonym getroffen werden, wird es schwieriger, Mitarbeiter strukturell abzuschasseln. Kollektivverträge sollen ja weiterhin das Rückgrat sein. Aber es gibt derzeit über 700. Das gehört ausgeholzt.

STANDARD: Dann hat man nicht mehr 700 Kollektivverträge, sondern tausende Betriebsvereinbarungen. Wo ist da der Vorteil?

Strolz: Sie haben auch Millionen von Mietverträgen und Versicherungsverträgen. Das hängt auch vom Menschenbild ab: Wir sehen nicht so wie die Linke den Menschen als Opfer, den ich von der Wiege bis zur Bahre bevormunden muss. Ja, es gibt Schwache und es gibt den Unbill des Lebens – da soll ein Sozialsystem helfen. (Peter Mayr, Nina Weißensteiner, 4.10.2017)