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Das schwere Erdbeben, das sich 2008 in der chinesischen Provinz Sichuan ereignete und mindestens 70.000 Menschen das Leben kostete, könnte im Zusammenhang mit der Füllung der Zipingpu-Talsperre stehen, vermuten Experten.

Foto: AP/Greg Baker

Großbritanien/Durham – Britische Wissenschafter haben eine Datenbank angelegt, in der sie die am häufigsten erfassten Ursachen für menschengemachte Erdbeben gesammelt haben. Ganz oben auf der Liste stehen Bergbau-Aktivitäten und das Anlegen großer Stauseen. In den vergangenen Jahren verursachten zunehmend auch Fracking-Vorhaben seismische Aktivitäten, berichten die Forscher im Fachblatt "Seismological Research Letters".

Letzter Anstoß

Dabei wird Gestein im Untergrund durch Einpressen von Flüssigkeit aufgeschlossen. Meist rufen menschliche Aktivitäten nur relativ geringe Erschütterungen hervor. In einigen Fällen können aber durchaus heftige Beben die Folge sein. So habe das Anlegen eines Stausees in China 2008 ein Erdbeben der Stärke 7,9 hervorgerufen. In solchen Fällen sei allerdings meist schon eine erhebliche Spannung im Untergrund aufgestaut, die menschlichen Aktivitäten gäben dann nur den letzten Anstoß für ein Beben, schreiben die Wissenschafter um Miles Wilson von der britischen Durham Universität.

Wilson und sein Team haben die frei zugängliche Datenbank "HiQuake" erstellt. Es handelt sich um eine Aktualisierung einer bereits bestehenden Datenbank. Initiiert und mitfinanziert wurde das Projekt vom niederländischen Öl- und Gasförderunternehmen Nederlandse Aardolie Maatschappij, das unter anderem in der Nähe von Groningen (Niederlande) ein großes Gasfeld betreibt. Die Wissenschafter hatten alle Projekte erfasst, die in irgendeiner Form wissenschaftlich beschrieben sind. Sie durchforsteten Fachjournale, Kongressberichte, Meldungen aus der Industrie, von Regierungen sowie Medien-Artikel und berücksichtigten persönliche Berichte.

Hohe Dunkelziffer

Derzeit seien etwa 730 Projekte, die seismische Aktivität verursachten, in der Datenbank erfasst. Für Deutschland sind bisher 29 Beben eingetragen, die meisten gehen auf Bergbau sowie konventionelle Öl- und Gasförderung zurück. Die Forscher gehen davon aus, dass die Zahl tatsächlicher Beben erheblich höher ist, die meisten jedoch kaum wahrgenommen oder mangels merklicher Auswirkungen gar nicht gemeldet würden. Für Österreich ist ein Beben eingetragen – ein sehr leichtes Erdbeben im Zusammenhang mit dem Aufstauen des Schlegeis-Speichers 1973 in Tirol.

Neben den bereits genannten Auslösern zählen auch Geothermie-Bohrungen zur Gewinnung von Erdwärme, der Bau von Hochhäusern und die Explosion von Kernwaffen zu möglichen Ursachen nicht-natürlicher Beben. Atomwaffentests in Nordkorea etwa werden im Ausland meist durch die von ihnen verursachten seismischen Erschütterungen bemerkt.

Reaktionen auf Veränderungen

"Alle menschlichen Projekte beeinflussen Kräfte, die auf die Erdkruste wirken, etwa indem sie Massen hinzufügen oder entfernen", sagte Wilson. "Also sollten wir nicht überrascht sein, dass die Erde auf diese Veränderungen reagiert – und manchmal die Reaktion eben ein Erdbeben ist." Das Erfassen der nicht-natürlichen Beben sei wesentlich, um Ursachen und Zusammenhänge besser zu verstehen und künftig potenzielle Gefahren besser abschätzen zu können, schreiben die Forscher.

Ein Problem allerdings gebe es mit der Datenbank in ihrer jetzigen Form, so die Forscher. Zum einen schwanken demnach Qualität und Vergleichbarkeit der einzelnen Beiträge erheblich, da die gesammelten Berichte fast ein Jahrhundert umfassen und die ersten derartigen Beben sich bereits vor etwa 150 Jahren ereigneten. Zum anderen sind in der Datenbank ausnahmslos alle vermeintlich vom Menschen verursachten Beben erfasst.

Fragliche Zusammenhänge

Wie plausibel ein möglicher Zusammenhang etwa zwischen einem Bauprojekt und einem räumlich und zeitlich naheliegenden Beben ist, wollen die Forscher nicht beurteilen. Genau darüber gibt es zwischen Befürwortern und Gegnern bestimmter Projekte oder unter Experten oft erhebliche Meinungsverschiedenheiten. Es liege in der Hand der Nutzer, die Wahrscheinlichkeit einer menschengemachten Ursache zu bewerten, schreiben die Forscher.

Eine Eindeutigkeit bei der Beurteilung von Erdbeben kann es in vielen Fällen gar nicht geben. "Es können sowohl tektonisch wie anthropogen eingetragene Spannungsanteile abgebaut werden, wenn es im Umfeld eines Projektes ein Beben gibt", sagt Torsten Dahm vom Geoforschungszentrum (GFZ) in Potsdam.

Eine Zusammenstellung von möglichen, durch den Menschen verursachten Erdbeben sei dennoch unter anderem für die Gefahrenabschätzung nützlich. "Es geht vor allem um die Frage: Was kann ein maximales Beben sein? Man kann also etwa bei der Planung der künftigen Förderung von Öl- oder Gasfeldern schauen, was es in der Vergangenheit an vergleichbaren Feldern für Ereignisse gegeben hat." (APA, red, 4.10.2017)