Das neue Heimopferrentengesetz hat noch Schwachstellen: Krankenanstalten wie die Neurologische Station am Rosenhügel in Wien sind ausgenommen.

Foto: Robert Newald

Innsbruck/Wien – Es war richtig und wichtig, dass auf Initiative des Sozialministeriums das längst überfällige Heimopferrentengesetz (HOG) geschaffen wurde. Der mit 1. Juli 2017 in Kraft getretene Gesetzestext sichert jenen ehemaligen Insassen staatlicher und kirchlicher Heime, die Opfer von Misshandlungen und Missbrauch geworden sind, eine monatliche Pauschalrente von 300 Euro zu.

Doch die Freude über diese erste österreichweit einheitliche Form der Entschädigung und Wiedergutmachung wird nun durch gravierende Mängel getrübt, die das Gesetz in der Praxis offenbart. Über die Pattsituation zwischen HOG und dem Verbrechensopfergesetz, das bisher die einzige Möglichkeit für Betroffene darstellte, eine Entschädigungsleistung einzuklagen, die über jene hinausgeht, die von den Kommissionen zugestanden wurde, hat DER STANDARD bereits berichtet. In einer Reaktion darauf reagierten die Sozialversicherungsträger und behoben das Problem zwischenzeitlich mittels einer Übergangslösung.

Doch man wird nicht um eine echte Reform des Gesetzestextes umhinkommen, bestätigt die Volksanwaltschaft. Denn wie sich zeigt, fallen etwa Opfer aus Einrichtungen, die als Krankenanstalten zählen, um ihre Ansprüche um. Denn im HOG wurden sie ausgespart. Dadurch kommt es zur absurden Situation, dass etwa Opfer der Innsbrucker Kinderbeobachtungsstation oder der Neurologischen Station am Wiener Rosenhügel keine Rente erhalten. Obwohl, wie etwa im Fall von Innsbruck, die Betroffenen vom Land Tirol entschädigt wurden.

PVA weist Ansprüche ab

Dazu muss man wissen, dass die Zuerkennung einer Entschädigung durch eine staatliche oder kirchliche Kommission gemäß Gesetzestext als Voraussetzung für den Erhalt der Heimopferrente ist. Jedoch hat die Pensionsversicherungsanstalt (PVA) nun erste Fälle aus Krankenanstalten abgewiesen, obwohl sie eine solche Entschädigung erhalten haben. Hinzu kommt, dass auch die zuweisende Stelle, die Kinder in diese Einrichtungen verfrachtete, meist eine staatliche gewesen ist. Und letztlich wäre die Aufsichtspflicht dem Staat zugefallen.

Ein weiterer Schwachpunkt betrifft ehemalige Insassen von Einrichtungen privater Träger. Sie sind im Gesetzestext ebenfalls nicht enthalten. Das betrifft zum Beispiel Opfer aus SOS-Kinderdörfern. Nach Angaben der Hilfsorganisation haben sich bisher 82 ehemalige Kinderdorf-Kinder gemeldet, an 41 wurde bereits eine Entschädigung ausbezahlt, 16 Verfahren laufen noch. Volksanwalt Günther Kräuter weist darauf hin, dass diese Opfer ebenfalls anspruchsberechtigt sein sollten und dass sie auch ins HOG aufzunehmen wären. Im Sozialministerium ist man sich des Reformbedarfs bewusst, verweist aber darauf, dass in der laufenden Legislaturperiode keine Änderungen mehr möglich sein werden. Man wird daher die Nationalratswahl und die Bildung einer neuen Regierung abwarten müssen.

Die Volksanwaltschaft ist darauf bedacht, weitere Schwachstellen im Gesetz aufzuspüren und den politisch Verantwortlichen zur Kenntnis zu bringen. Daher bittet sie alle Betroffenen, sich zu melden. Wer einen Negativbescheid der PVA erhalten hat, kann zwar dagegen klagen, allerdings wird es schwierig sein, die Ansprüche ohne geltendes Gesetz durchzubringen. Für die Betroffnen heißt das: weiterwarten. (Steffen Arora, 4.10.2017)