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Ein Maschinengewehr des Typs AR-15 mit spezialangefertigtem Handschutz zu Ehren Trumps bei einer NRA-Jahresversammlung im April in Atlanta, Georgia. Mit einer solchen halbautomatischen Waffe richtete Stephen Paddock das größte Massaker in der jüngeren US-Geschichte an.

Foto: APA/AFP/GETTY IMAGES/SCOTT OLSON

Das US-Satiremagazin "The Onion" drückte die Verbitterung darüber, wie sehr die USA nach Schießereien und Schussattentaten zum Alltag übergehen, aus, indem es einen Artikel herauskramte, den es schon mehrmals auf die Seite gestellt hatte. Die Überschrift lautete wie immer: "'Es gibt keine Möglichkeit, es zu verhindern', sagt das einzige Land, in dem es regelmäßig dazu kommt".

23 Waffen wurden in dem Hotelzimmer sichergestellt, aus dem der Schütze in Las Vegas auf die Menschenmenge geschossen hatte, zudem große Vorräte an Munition und mehrere "Bump Stocks", also Vorrichtungen, um halbautomatische Waffen zu einer automatikähnlichen Schussabgabe umzufunktionieren. So konnte der Schütze schnell hunderte Schuss pro Minute abfeuern, und das tat Stephen Paddock bekanntlich auch: 15 Minuten lang zielte er auf die Besucher eines Country-Konzerts, 59 Menschen starben, 500 weitere wurden verletzt. Den Hergang der Tat und die Vorbereitungen darauf haben die Ermittler inzwischen rekonstruiert, über Paddocks Motiv herrscht weiterhin Unklarheit.

Die Tat gilt als schlimmstes Schussattentat in der jüngeren amerikanischen Geschichte. Das Online-Magazin "Mother Jones" zählt seit 1982 52 Massaker mit mindestens drei Toten. Seit jenem im Juni 2016 in Orlando, bei dem 49 Menschen starben, ist in den USA kein Monat vergangen, in dem nicht mindestens 22 Massenschießereien stattfanden. Dennoch weiß jeder, dass auch das Attentat von Las Vegas ohne praktische Folgen bleiben wird. Denn in Washington läuft die Debatte nach exakt demselben Schema ab wie immer: Einige Demokraten fordern strengere Waffengesetze, was sich zu einem rein symbolischen Ritual entwickelt hat, denn zu viele Republikaner pochen auf das Gegenteil.

Bevölkerung für Regulierungen

Sie berufen sich auf den zweiten Verfassungszusatz, am Recht auf den Besitz von Schusswaffen, darauf, dass die Antwort auf zu viele Waffen noch mehr Waffen seien. Aus dem Präsidialamt war zu hören, was all jene, die nicht an den laxen Waffenrechten rütteln wollen, immer sagen: Unmittelbar nach der Tragödie sei nicht der Zeitpunkt, um über strengere Gesetze zu debattieren.

Die amerikanische Bevölkerung spricht sich in Umfragen mit einer deutlichen Mehrheit – und zwar sowohl bei demokratischen wie auch bei republikanischen Wählern – für pragmatische Regulierungen aus. Dass diese dennoch so bald nicht beschlossen werden, liegt an der Waffenlobby, die viel Geld in die Hand nimmt, um jeden Versuch zu blockieren, die Waffenflut durch Gesetze einzuschränken. 54 Millionen US-Dollar investierte die National Rifle Association (NRA) in den jüngsten Präsidentschaftswahlkampf (27 Millionen waren es bei den Midterm-Elections 2014): Sie stellte sich auf die Seite Donald Trumps, der im Gegenzug versprach, das Recht auf Waffenbesitz zu verteidigen.

Das unabhängige Washingtoner Forschungsinstitut Center for Responsive Politics hat recherchiert, wie viel Geld alle Senatoren und Abgeordneten im Kongress im Laufe ihrer Karriere erhalten haben. Mehr als 3,5 Millionen Dollar sind laut "Washington Post" von der NRA an derzeitige Mitglieder des US-Kongresses geflossen. 49 von 100 Senatoren haben Zahlungen von den Waffenlobbyisten erhalten, im Repräsentantenhaus waren es 258 von 435 Abgeordneten. Seit 1989 hat die NRA 23 Millionen Dollar in den Kongress gepumpt, für Wahlkämpfe spülte sie nochmals Geld in die Kassen der Politiker – vorwiegend beschenkt sie dabei die Republikaner: 90 Prozent des Geldes aller Waffenlobbys in den USA geht an die Grand Old Party.

Bannon warnt Trump vor Nachgiebigkeit

Mit Erfolg: Zahlreiche Versuche, die Waffengesetze zu verschärfen, sind bisher gescheitert. Zwar scheint es nun so, als wären einige Republikaner zumindest für ein Verbot der sogenannten "Bump Stocks" offen, zuletzt ging die Tendenz aber sogar eher in die entgegengesetzte Richtung. Erst kürzlich wurde im Kongress ein Zusatz auf die Beine gestellt, der Teil eines größeren Gesetzes ist und offiziell dem Schutz des Gehörs von Jägern dient. Dieser soll den Erwerb von Schalldämpfern für Handfeuerwaffen vereinfachen, die die Lautstärke eines Schusses von 165 auf 140 Dezibel senken sollen. Das Vorhaben ist selbst unter Waffenbefürwortern umstritten, nach dem Blutbad von Las Vegas wurde es fürs Erste auf Eis gelegt.

Doch es ist nicht nur das Geld der Waffenlobby, das ihren Erfolg ausmacht, es sind auch ihre Stimmen: Einer Umfrage des Pew Research Center zufolge bezeichnen sich mehr als 14 Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner als NRA-Mitglieder. Offiziell zählt die Organisation nur fünf Millionen beitragspflichtige Mitglieder. 77 Prozent aller, die sich ihr zugehörig fühlen, stehen auch der Republikanischen Partei nahe.

Donald Trumps inzwischen aus dem Amt geschiedener Chefstratege Stephen Bannon hat seinem ehemaligen Vorgesetzten im Weißen Haus deshalb bereits wenige Stunden nach dem Angriff ausrichten lassen, er solle sich ja nicht dem Druck der Öffentlichkeit beugen. Der Leiter der rechtsnationalistischen Plattform "Breitbart" warnte Trump in einem Gespräch mit der Seite "Axios": Jede Bereitschaft zu einem Kompromiss mit den Waffengegnern drohe die eigene Basis zu zerstören. "Es wäre das Ende", sagte Bannon. (Anna Giulia Fink, 4.10.2017)