Die Staatsoper Unter den Linden öffnete am Dienstag ihre Pforten mit Schumanns "Szenen aus Goethes Faust". So waren Mephistopheles (Sven-Eric Bechtolf, links) und Faust (André Jung) auch dabei, um die neuen, guten akustischen Verhältnisse zu erproben.

Berliner Staatsoper

Das Pulver mit den Eröffnungsopern haben sie in den vergangenen Jahren verschossen: Intendant Jürgen Flimm und Dirigent Daniel Barenboim hatten natürlich Meistersinger und Fidelio im Visier. Aber in Berlin, der Stadt der ewigen Flughafenbauer, geht es halt nie so wie geplant, wenn die öffentliche Hand im Spiel ist. Das Schillertheater-Exil der Staatsoper unter den Linden sollte ja nur drei Jahre dauern. Es hat sich (mit sieben Jahren) aber auf die gesamten Berliner Intendantenjahre von Flimm ausgebreitet.

Dass der Kraftakt mit vierhundert Millionen Euro das Doppelte der geplanten Summe gekostet hat, versteht sich in Berlin fast von selbst. Der Bund hatte seinen Zuschuss vorsichtshalber gedeckelt. Die 1955 nach der Zerstörung wiedereröffnete DDR-Variante der Knobelsdorff'schen Opernschmuckschatulle von 1743 ist jetzt mutmaßlich auf technischem Höchststand. Das wird sich ab Dezember erweisen, wenn nach neuerlicher Schließung der Dauerbetrieb in der jetzt quasi eröffneten Staatsoper aufgenommen wird.

Dass sie optisch auf Hochglanz poliert wurde, erfreut schon jetzt das Auge. Akustisch sind die Sekundenbruchteile mehr Nachhallzeit, die mit 1,6 Sekunden (statt bisher 1,1) vermeldet werden, deutlich zu hören. So wie man sieht, dass dafür die Saaldecke um mehr als vier Meter angehoben wurde. Dieser Eingriff wurde nicht wegretuschiert, sondern ist dank der netzartigen Wandstruktur zu sehen. Stört aber nicht. Man hat einen vertrauten Raum fast wie neu, also alt, zurück. Und er hört sich viel besser an, als man ihn in Erinnerung hatte. Das sind die entscheidenden Nachrichten der Eröffnung zum Nationalfeiertag mit den anwesenden Spitzen des Staates.

Lebenslanger Chef

In den kurzen Reden fiel besonders häufig der Name von Daniel Barenboim. In Berlin braucht es einen so unermüdlichen Dauermahner, den man nicht so einfach ignorieren kann, wie den Chef der Staatskapelle "auf Lebenszeit". Und man hat ihn ja. Und behält ihn auch, wenn Jürgen Filmm (76) endgültig an seinen Nachfolger und Kointendanten Matthias Schulz (40) übergibt. Den Posten auf dem roten Teppich hat der (aus Salzburg nach Berlin kommende) schon mal geprobt.

Die Promidichte war für Berliner Opernverhältnisse hoch. Wer sich den Blick vom Parkett auf die Politik im Rangbereich gönnte (man ist hier ungeniert), hatte sein Vergnügen. Und Zeit, darüber nachzudenken, wo manch einer der Herren nach der Pause wohl abgeblieben war. Was auf der Bühne passierte, hatte nämlich kaum höheren Unterhaltungswert.

Nachdem Flimm die Eröffnungsstücke, die sich von selbst verstehen, ausgegangen waren und aus der Opernnovität von Wolfgang Rihm wegen der Erkrankung des Komponisten leider nichts wurde, griff er zu einer Notlösung aus Klassik und Romantik. Goethe und Schumann. Schumanns Szenen aus Goethes Faust und Fausts Verklärung.

Dazu gab es einige Szenen Original mit André Jung (als Faust) und Sven-Eric Bechtolf (als Mephistopheles). Das war zwar prominent bestückt, aber von Regisseur Flimm eher zu einem alten Stil verdonnert.

Lange dreieinhalb Stunden

Meike Droste als Gretchen überzeugte da mehr; und die Linden-Oper-Legende Anna Tomowa-Sintow als Sprecherin der Zueignung war eine Referenz an die Geschichte des Hauses. Natürlich: Auch René Pape ist vokaler Mephisto-Luxus (mit Freude am Spiel), Roman Trekel mit seinem liedhaften Zugang ein passender junger Faust und die junge Elsa Dreisig ein anrührend singendes Gretchen. Das Problem: Das ausgewählte Eröffnungsstück hat zwar die prominenteste Vorlage, die sich in Deutschland finden lässt. Aber Schumann ist höchstens mit seiner Genoveva ein bühnentaugliches Werk gelungen. Die Szenen aus Faust sind es nicht.

Da helfen weder Mimenprominenz, Goethe selbst und auch nicht der Beitrag von Markus Lüpertz. Er setzt mit zwei Riesenfiguren und einer bunten Bühne auf der Bühne vor allem sich selbst in Szene. Es sind lange dreieinhalb Stunden an diesem Abend, an dem man immerhin den vielversprechenden neuen Raumklang des Hauses genießen kann. Der Rest dann demnächst, also ab Dezember, in diesem Theater. (Joachim Lange aus Berlin, 4.10.2017)